Wahl im Irak nach Sieg über IS
Städte sind zerstört, Hundertausende vertrieben: Trotzdem stimmen die Iraker über ein neues Parlament ab. Manche sehen eine Schicksalswahl. Im Hintergrund kämpfen die USA und der Iran um Einfluss.
Das Wichtigste in Kürze
- Am Samstag wählt der Irak ein neues Parlament.
- Wegen dem Einfluss des Irans und den USA soll es sich nur um eine teilweise demokratische Wahl handeln.
- Auch bei dieser Wahl soll viel Geld fliessen.
Manchmal gleicht der Wahlkampf im Irak einer Mischung aus Volksfest und Popkonzert, so wie an diesem Nachmittag in einer Halle auf dem Messegelände der Hauptstadt Bagdad. Die Anhänger klatschen, singen, jubeln und schwenken irakische Fähnchen. Immer wieder rufen sie die Namen ihres favorisierten Politikers. Johlend tragen sie einen von ihnen sogar auf Händen.
Am Samstag wird gewählt
Reden aber sind an diesem Nachmittag nicht zu hören. Überhaupt geht es im irakischen Wahlkampf weniger um Inhalte als um Schlagworte, Personen und strategische Bündnisse. Die Abstimmung über das neue Parlament am Samstag (12. Mai) wird wegweisend sein, manche sprechen von einer «Schicksalswahl»: Sie ist die erste nach dem Sieg über die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Sie wird entscheiden, ob das Land die unterschiedlichen Volksgruppen versöhnen und dauerhaft stabil werden kann. Und bei der Regierungsbildung danach werden der schiitische Nachbar Iran und die USA massiv um Einfluss buhlen.
Land liegt in Trümmern
Die Ausgangslage könnte kaum schwieriger sein. Der IS ist zwar weitestgehend besiegt, aber nicht vernichtet. Ganze Städte in den sunnitischen Gebieten des Landes liegen in Trümmern. Mossul etwa, die Grossstadt und ehemalige IS-Hochburg im Norden. Noch immer harren Hunderttausende in Flüchtlingslagern aus. Die Kluft zwischen der Mehrheit der Schiiten, die die Macht besitzen, und der Minderheit der Sunniten, die sich unterdrückt fühlen, spaltet das Land. Neben Armee und Polizei kontrollieren weiterhin Milizen Teile des Landes.
Haidar al-Abadi
In dieser Gemengelage bringt sich die alte Politikergarde für die Regierungsbildung nach der Wahl in Stellung. Der schiitische Ministerpräsident Haidar al-Abadi, seit vier Jahren im Amt, hat sein eigenes Wahlbündnis gegründet, die «Sieg-Koalition». Der 66-Jährige geniesst die Unterstützung des Westens, er kann sich zugute halten, dass zu seiner Amtszeit - und mit ihm als Oberbefehlshaber - der IS besiegt wurde.
Nuri al-Maliki
Die Amtsführung des schiitischen Politikers Nuri al-Maliki, der acht Jahre an der Spitze der Regierung stand und den viele im Irak für einen der korruptesten Politiker des Landes halten, hat den Vormarsch des IS überhaupt erst ermöglicht. Der 67-Jährige gehört derselben Partei an wie Al-Abadi an, kandidiert aber an der Spitze eines konkurrierenden Bündnisses.
Iran und USA mischen sich ein
Wie schon früher wird der Iran auch diesmal bei der Regierungsbildung ein gewichtiges Wort mitreden. Schon im Wahlkampf mischt Teheran im Hintergrund mit. Alle Politiker erhielten Geld aus dem Iran, sagt einer der Kandidaten, der damit nicht zitiert werden möchte. Und der säkulare Politiker Ijad Allawi beklagt, wegen der ausländischen Einmischung - auch der USA - sei der Irak nur teilweise demokratisch: «Demokratie ist (hier) honigsüsses Gerede ohne politische Realität.»
Auch bei dieser Wahl fliesse viel Geld, ist im Irak immer wieder zu hören. Stimmenkauf gehörte schon bei früheren Abstimmungen zu den Mitteln, sich ein gutes Ergebnis zu sichern. Auf dem Weg zur Wahlkampfveranstaltung in Bagdad freuen sich ein paar junge Männer, dass sie für ihr Erscheinen in der Messehalle 25'000 irakische Dinar, knapp 20 Euro, bekommen. Als der Auftritt vorbei ist, schart eine Kandidatin draussen ihre Anhänger um sich - und verteilt Geldscheine.