Wie sich die USA und Iran gegenseitig wehtun können
Kommt es zum Krieg zwischen den USA und dem Iran? Oder greifen beide Seiten zu anderen Mitteln? Die Liste der Optionen ist lang, die Lage unberechenbar.
Das Wichtigste in Kürze
- Nach dem Vergeltungsangriff Irans ist die Sorge vor einem Vergeltungsangriff gewachsen.
- Dies war eine Reaktion auf die Tötung des Generals Soleimani durch die USA.
- Beide Nationen könnten sich gegenseitig grossen Schaden zufügen.
Teheran droht Washington mit weiteren Angriffen. Und auch US-Präsident Donald Trump hat in den vergangenen Tagen deutlich gemacht, dass er Militärschläge gegen sein Land nicht tatenlos hinnehmen wird. Beide Seiten haben mehrere Möglichkeiten, sich gegenseitig wehzutun.
Militärischer Gegenschlag der USA
Die US-Regierung hat in den vergangenen Tagen deutlich gemacht, dass sie jederzeit bereit sei, mit militärischer Härte auf einen Vergeltungsakt der Iraner zu reagieren. Trump drohte bereits vor Tagen, für den Fall von Angriffen auf US-Bürger oder amerikanische Einrichtungen gebe es eine Liste mit 52 «wichtigen» und «hochrangigen» iranischen Zielen, die dann attackiert werden könnten. Angesichts der Tatsache, dass Teheran bei seinem Angriff nicht mit voller Wucht zuschlug und wohl gezielt das Ausmass von Schäden und Opfern gering hielt, könnten die USA aber nach Ansicht von Experten auf grossangelegte Militäraktionen verzichten. Denkbar wären Operationen mit begrenztem Umfang - als Zeichen, dass sich Washington eine Eskalation dieser Art nicht gefallen lässt. Folgenlos dürfte die Attacke nicht bleiben.
Krieg zwischen den USA und dem Iran
Die Angst davor ist gross. Doch die Art der iranischen Attacke und Trumps erste Reaktion darauf («Alles ist gut») lassen bei beiden Seiten nicht auf den Willen zu einer totalen Eskalation schliessen. Ein Krieg zwischen den USA und dem Iran wäre nach Ansicht von Militärexperten in seinem Umfang weitaus schlimmer als vorherige Kriege, wie etwa im Irak. Angesichts der geopolitischen Lage des Irans, der vielen Akteure und Querverbindungen im Nahen Osten und der Nuklearaktivitäten Teherans könnte ein solcher Krieg immenses Chaos in der gesamten Region auslösen und enorm viele Menschenleben kosten. Noch beteuern beide Seiten, dass sie das vermeiden wollen. Trump verspricht seit jeher, er wolle die «endlosen» Kriege der USA beenden. Mitten im US-Wahljahr einen neuen zu beginnen, stünde dem fundamental entgegen. Doch Schwäche will er auch nicht zeigen.
Weitere Wirtschaftssanktionen gegen Teheran
Seit dem einseitigen Ausstieg der Amerikaner aus dem Atomabkommen mit dem Iran setzt Washington Teheran mit massiven Wirtschaftssanktionen zu, um das Land in die Knie zu zwingen - und zu verhindern, dass der Iran in den Besitz von Atomwaffen kommt. Die US-Regierung hat immer wieder betont, diese «Kampagne maximalen Drucks» werde weitergehen. Die Vereinigten Staaten scheinen ihr Repertoire hier aber bereits weitgehend ausgeschöpft zu haben. Die zuletzt verhängten Sanktionen waren kleinteilig. Viel Hebelkraft haben die USA an dieser Stelle nicht mehr.
Weitere direkte Angriffe des Irans
Dazu bieten sich vor allem Ziele im benachbarten Irak an, wo rund 5000 US-Soldaten an verschiedenen Standorten im Einsatz sind, die dort die irakische Armee im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) unterstützen. Denkbar wären auch Bombardierungen gegen den engen US-Verbündeten Saudi-Arabien, ähnlich der Angriffe auf wichtige Ölanlagen im vergangenen Jahr, die auch dem Iran zur Last gelegt wurden. Allerdings hat Riad in den vergangenen Monaten in der Iran-Frage zurückhaltender agiert. Mit der Strasse von Hormus bietet sich für den Iran auch eine der wichtigsten weltweiten Schifffahrtsrouten als Ziel an. Sie ist für den Öltransport von grosser Bedeutung. Der Iran könnte aber auch zu seiner Strategie zurückkehren, seine engen Verbündeten in den Nachbarländern handeln zu lassen.
Milizen im Irak
In dem Nachbarland ist der Einfluss des Irans besonders gross. Zahlreiche Milizen pflegen enge Kontakte nach Teheran. Unter ihnen ist die Wut auf Washington gross, weil bei dem Angriff auf den iranischen Top-General Ghassem Soleimani auch ihr hoher Anführer Abu Mahdi al-Muhandis getötet worden war. Ein Milizenführer drohte am Mittwoch, deren Antwort werde nicht kleiner sein als die des Irans. Im Hintergrund sollen Bemühungen laufen, die Milizen in einer gemeinsamen Front zu vereinen, um so einen Abzug der US-Truppen aus dem Land zu erreichen. Das wäre ein grosser Erfolg für Teheran. Schon in den vergangenen Monaten sollen die Milizen mehrfach US-Truppen im Irak attackiert haben. Sie unterstehen zwar offiziell der Regierung in Bagdad, agieren aber praktisch unabhängig.
Verbündete in Syrien
Auch in dem Bürgerkriegsland hat der Iran eine starke Hand im Spiel. Teheran ist in dem Konflikt ein wichtiger Verbündeter der Regierung, die von den USA den Abzug ihrer Truppen fordert. Washingtons Armee ist vor allem im Osten des Landes im Einsatz, wo sie zusammen mit lokalen und von Kurden angeführten Truppen weiter gegen den IS kämpft, aber auch Ölquellen sichert. Teheran wiederum unterstützt in Syrien zahlreiche lokale und ausländische Milizen, die in den USA einen Erzfeind sehen. Dazu zählt unter anderem die libanesische Schiiten-Miliz Hisbollah, die in Syrien im Einsatz ist. Bislang scheiterten jedoch die meisten Versuche der Regierung und Milizen, die militärisch hoch überlegenen US-Truppen in dem Bürgerkriegsland anzugreifen. Die Hisbollah könnte allerdings auch an einer anderen Front aktiv werden.
Hisbollah-Angriffe auf Israel
Die Schiiten-Miliz sieht im US-Verbündeten Israel einen Erzfeind, den sie gerne auslöschen würde. Kleinere Zusammenstösse im vergangenen Jahr weckten Befürchtungen vor einer grösseren Konfrontation beider Seiten, die sich zuletzt 2006 in einem Krieg bekämpften. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah drohte am Sonntag, die USA würden für den Angriff auf Soleimani den Preis bezahlen. Auch das iranische Militär selbst drohte mit Angriffen auf Israel. Allerdings hat die Hisbollah derzeit kein wirkliches Interesse an einem militärischen Konflikt mit dem verhassten Nachbarn. Die Miliz ist weiterhin im syrischen Bürgerkrieg im Einsatz, wo die Regierung das letzte grosse Rebellengebiet Idlib einnehmen will. Vor allem aber leidet der Libanon derzeit unter der schwersten politischen und wirtschaftlichen Krise seit Ende des Bürgerkriegs vor 20 Jahren.