«Wir sind in Gefahr» - Sri Lankas Präsident kündigt Krisen-Plan an
Sri Lankas neuer Präsident Ranil Wickremesinghe will sein bankrottes Land mit politischen Reformen langfristig zu einer Exportwirtschaft umbauen und so die schlimmste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten überwinden.
Das Wichtigste in Kürze
- Seine Regierung arbeite an einem Fahrplan für eine nationale Wirtschaftspolitik für die nächsten 25 Jahre, erklärte der 73-Jährige am Mittwoch in einer Rede vor dem Parlament.
Noch in diesem Monat wolle man die Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über ein vierjähriges Hilfsprogramm wieder aufnehmen.
Nach monatelangen Massenprotesten war der vorherige Präsident Gotabaya Rajapaksa Mitte Juli nach Singapur geflohen. Ihm und seiner Familie wird vorgeworfen, den einst aufstrebenden Inselstaat durch Vetternwirtschaft, Korruption und Missmanagement runtergewirtschaftet zu haben. Aus Mangel an Devisen war Indiens südlicher Nachbar im Mai erstmals zahlungsunfähig geworden. Als Folge konnte das mit 51 Milliarden Dollar im Ausland verschuldete Land wichtige Importe wie Treibstoff, Medikamente und Gas zum Kochen nicht mehr bezahlen.
Das Parlament bestimmte nach der Flucht Rajapaksas Wickremesinghe zum Nachfolger. Seither geht der sechsmalige Premier mit harter Hand gegen Demonstranten vor. Wickremesinghe rief die Abgeordneten am Mittwoch erneut zur Bildung einer All-Parteien-Regierung auf. Nur so könnten die Probleme des Landes gelöst werden. «Wir stehen heute vor einer beispiellosen Situation, mit der unser Land in der jüngeren Geschichte noch nie konfrontiert war. Wir sind in grosser Gefahr».
Wickremesinghe stösst jedoch auch auf Skepis. Viele werfen ihm vor, hinter seinem Vorgänger und dessen mächtiger Familie zu stehen. Laut Beobachtern haben auch nach Rajapaksas Abgang noch viele Mitglieder von dessen Familie sowie loyale Beamte wichtige Posten inne. Das Parlament und die Regierung würden zudem weiterhin von Politikern dominiert, die eng mit der Familie Rajapaksa verbunden seien.
Man werde dem IWF «in naher Zukunft» einen Umschuldungsplan vorlegen und mit den Ländern verhandeln, die Sri Lanka Kredithilfe gewährt haben, sagte Wickremesinghe. Danach würden auch Verhandlungen mit privaten Gläubigern beginnen, «um zu einem Konsens zu gelangen». Ziel seiner Regierung sei es, bis 2025 einen Haushaltsüberschuss zu erzielen. Die Staatsverschuldung von derzeit rund 140 Prozent des Bruttoinlandsprodukts soll bis 2032 auf unter 100 Prozent sinken. Zu den wichtigen Kreditgebern Sri Lanks zählt auch China. Verhandlungen für eine erfolgreiche Umschuldung können sich oft Jahre hinziehen.
Nötig seien «langfristige Lösungen», sagte Wickremesinghe. Die Wirtschaft solle «modernisiert» und in eine «wettbewerbsfähige Exportwirtschaft umgewandelt werden». Obwohl Sri Lanka eine der ersten Volkswirtschaften Südasiens war, die sich öffnete, ist das Land stark importabhängig und hat nur begrenzte Devisenquellen.
Hinzu kommt laut Experten, dass der vorherige Präsident Rajapaksa dem Staat durch Steuersenkungen dringend benötigte Einnahmen entzogen habe. 2021 versuchte die Regierung den Devisenmangel einzudämmen, indem sie die Einfuhr chemischer Düngemittel verbot. Bauern sollten Bio-Dünger verwenden. Die Folge waren massive Ernteausfälle. Sri Lanka musste Lebensmittel importieren, was die Devisenknappheit verschärfte. Ein grosses Problem stellen nach Ansicht von Experten auch die vielen Staatsunternehmen dar, die massive Verluste anhäufen.
Um die Auflagen des IWF zu erfüllen, muss Sri Lanka laut Experten schmerzhafte Strukturreformen durchführen, darunter Sparmassnahmen und deutliche Steuererhöhungen. Es bestehe ein «erhebliches Risiko», dass solche Reformen auf Widerstand im Volk stossen könnten, warnte die Ratingagentur Fitch unlängst. Doch Wickremesinghe ist zuversichtlich: Bis 2048, wenn Sri Lanka den 100. Jahrestag seiner Unabhängigkeit begehen wird, könne man «ein voll entwickeltes Land» werden, meinte er.