London sucht mit Casting nach Musiker für U-Bahnstationen
Die Londoner Verkehrsbetriebe haben ihr eigenes Castingsystem. Singen darf in U-Bahnstationen nur, wer durchkommt.
Das Wichtigste in Kürze
- London will neue Strassenmusiker an ihren U-Bahnstationen.
- Deswegen wurde kürzlich ein Castingverfahren abgehalten.
- Nur ausgewählte Musiker dürfen in der «Tube» spielen.
Selbst Paul McCartney soll in London schon stehen geblieben sein, um einer Sängerin Trinkgeld zu geben. Die britische Millionenstadt ist bekannt für ihre Strassenmusiker, die im Englischen «Busker» heissen.
Die Verkehrsbetriebe haben sogar ein eigenes Auswahlsystem: Wer in einem der U-Bahnhöfe offiziell spielen will, muss bei einem Vorsingen bestehen. Nach längerer Pause wählt eine Jury nun erstmals seit sieben Jahren wieder neue Musikerinnen und Musiker aus.
Rund 450 Bewerbungen sind eingegangen. Mehr als die Hälfte der Interessenten wurden vom Unternehmen Transport for London (TfL) zum Vorsingen eingeladen. Sie mussten bei Terminen in den vergangenen zwei Wochen probeweise vor einer Jury spielen. Maximal zehn Minuten blieben den Kandidatinnen und Kandidaten.
Kleine und grosse Erwartungen
Nick Woods (30) singt Johnny Cash. Er sei schon in anderen Gegenden Englands aufgetreten, aber London sei natürlich ein schöner Hotspot. Neben seinem Vollzeitjob sei die Musik ein Hobby, sagt er.
Er wolle sich nicht unter Druck setzen, damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Musikerin Zemphy (27) dagegen arbeitet Vollzeit als Künstlerin und spielt neben ihren Auftritten abends bereits an grossen Bahnhöfen.
Nun will die Musikerin aus Irland auch an den Haltestellen der «Tube» spielen, wie die U-Bahn in London genannt wird. Als älteste U-Bahn der Welt hatte sie 1863 den Betrieb aufgenommen – damals noch als «Metropolitan Railway» mit wenigen Stationen. Bisher dürfen sich im U-Bahnnetz rund 200 Musikerinnen und Musiker in einen Zeitplan einbuchen. Nun wählt die Jury aus, wer neu hinzukommen soll.
Zürich organisiert Strassenmusiker anders
Anders als in London ist es zum Beispiel in Zürich geregelt. Künstlerische Darbietungen sind in der Limmatstadt nur in bestimmten Gegenden und zu bestimmten Zeiten erlaubt. Das kann man der Webseite der Stadt entnehmen.
Musikerinnen und Musiker dürfen nicht länger als 30 Minuten an einem Ort bleiben. Auch dürfen sie nur passiv Geld sammeln, also beispielsweise mit einem Hut auf dem Boden.
Etliche Musikerinnen und Musiker in London haben heute nicht nur Schilder aufgestellt, mit denen sie auf ihre Onlinepräsenz hinweisen. Neben ihnen stehen häufig auch kleine Kartenlesegeräte.
In der britischen Hauptstadt wird heute nämlich sehr häufig mit Karte gezahlt. Manche Cafés zum Beispiel nehmen gar keine Münzen und Scheine mehr. Wer Tee will, muss mit Karte zahlen.
Vieles erfüllender als Geld
Daran passen sich auch Strassenmusikerinnen und Strassenmusiker an. Nicht alle mögen die Vorstellung unbedingt. «Ich mag die Idee, für Kleingeld zu spielen, das die Leute übrig haben», sagt Woods. So sei es historisch und kulturell immer gewesen.
Bei seinen Auftritten an öffentlichen Orten schätzt er die Atmosphäre. Menschen würden anhalten und zusehen, oft stammten sie aus der ganzen Welt.
Ähnlich geht es Künstlerin Zemphy. Einmal habe sie während des Pride Weekends einen irischen Song gespielt und etwa 20 lesbische Frauen hätten angefangen zu tanzen. Das sei einer der besten Momente ihres Lebens gewesen.
«Es gibt nichts Besseres als ein Lächeln von jemandem», sagt sie. «Diese kleinen Dinge bedeuten viel mehr als Geld, um ehrlich zu sein.» Solche Momente, sagt sie, seien sehr viel erfüllender.