Hongkong: Polizei stürmt Universität und verhaftet Ärzte
Die Polizei von Hongkong versuchte die verbarrikadierte Universität PolyU zu stürmen. Bilder und Videos in den sozialen Medien zeigen kriegsähnliche Szenen.
Das Wichtigste in Kürze
- In Hongkong hat die Polizei das Geländer einer verbarrikadierten Universität gestürmt.
- Die Aktivisten wehrten sich mit Molotowcocktails und Steinen gegen die Polizei.
- Sogar Sanitäter wurden von der Polizei gewaltsam verhaftet.
Die Polizei in Hongkong hat mit Gewalt die Universität auf der Halbinsel Kowloon gestürmt. Auf einem Video ist zu sehen, wie ein schwer gepanzertes Riot-Auto versucht, die Sperrungen zu durchbrechen.
University students repel HK police armored vehicle from entering University area#polyu battle #SOSHK
— Pete (@NYBackpacker) November 17, 2019
Where is @RepAOC statement?pic.twitter.com/U4itcBbvBh
Viele Studenten konnten am Montagmorgen offenbar fliehen, wie ein Video auf Twitter zeigt. Hysterisch rennen die jungen Menschen vor der Polizei davon.
Doch nicht nur Demonstranten werden festgenommen. Wie Fotos auf Twitter zeigen, wurden gar Ärzte und Sanitäter vor Ort verhaftet. Mit Kabelbinder banden ihnen die Polizisten die Hände zusammen.
Die Menschen reagieren geschockt: «Es ist eindeutig eine humanitäre Krise», schreibt ein Twitter-User. Er bezeichnet die Polizisten als «Kriegs-Verbrecher».
An Uni bricht «die Hölle» aus
Ein Reporter von ABC China berichtet, dass in der Nähe der Polytechnischen Universität (PolyU), «die Hölle ausgebrochen sei». «Die taktische Spezialeinheit der Polizei raste am Niemandsland vorbei und schoss dabei eine enorme Menge Tränengas ab.»
Demonstranten hätten sich mit Benzinbomben und Molotow-Cocktails gewehrt. Vom Dach der Universität feuerten sie mithilfe eines selbstgebauten Katapults Steine ab und verhinderten so das Vorrücken der Polizei.
Auf Videos in den sozialen Medien sind die kriegsähnlichen Szenen, die sich am frühen Montagmorgen (Ortszeit) ereigneten, zu sehen. Ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP berichtet von maskierten Bogenschützen sowie Spähern mit Ferngläsern auf einem Dach.
Eine unbekannte Zahl von Aktivisten wurde festgenommen. Auch gab es Verletzte. Die Polizei bestritt, das Gelände in den Morgenstunden «gestürmt» zu haben. Eine Erklärung sprach aber von einem anhaltenden Einsatz, um Demonstrationen aufzulösen und Festnahmen zu machen.
Laut der Nachrichtenagentur AFP hatte sich bei der PolyU inzwischen ein grosser Brand entwickelt. Dieser wurde ausgelöst, durch die eingesetzten Molotow-Cocktails. Hunderte von Demonstranten haben sich offenbar nach wie vor auf dem Universitätsgelände verschanzt.
Polizei in Hongkong droht mit Einsatz scharfer Munition
In der Nacht zuvor hatte die Polizei nach Angriffen mit Pfeil und Bogen, sowie Molotowcocktails und Steinschleudern, den Aktivisten der Demokratiebewegung erstmals mit dem Einsatz scharfer Munition gedroht.
«Wenn sie mit solchen gefährlichen Aktionen fortfahren, haben wir keine andere Wahl als ein Mindestmass an Gewalt anzuwenden, darunter scharfe Munition, um zurückzuschiessen», sagte Polizeisprecher Louis Lau am Sonntag in einem Facebook-Beitrag.
Zuvor wurde ein Polizist bei gewaltsamen Zusammenstössen bei PolyU von einem Pfeil verletzt. Das Geschoss steckte in der Wade des Beamten fest, wie auf Fotos zu sehen war. Der Mann, der für die Pressestelle der Polizei arbeitete, wurde in ein Krankenhaus gebracht.
Aktivisten verschanzen sich in Universität
Die Polizei sprach vom Einsatz «tödlicher Waffen» und nannte die Universität einen «Ort des Aufruhrs» – für Aufruhr drohen bis zu zehn Jahre Haft. Bei den Protesten in den vergangenen Wochen hatten Polizisten bereits in drei Situationen scharf geschossen – allerdings ohne Vorwarnung.
Hunderte Aktivisten hielten sich am Sonntag in der Polytechnischen Universität verschanzt. Sie bräuchten «eine Basis, um unser Material zwischenzulagern und uns nachts auszuruhen, bevor der Kampf am nächsten Morgen weitergeht», sagte ein 23-jähriger Student der PolyU.
Demokratie-Aktivist rechtfertigt Eisnatz von Gewalt
In einem am Montag veröffentlichten Interview mit der «Süddeutschen Zeitung» rechtfertigt der bekannte Demokratie-Aktivist Joshua Wong (23) den Einsatz von Gewalt gegen die Polizei. «Mit rein friedlichem Protest werden wir unser Ziel nicht erreichen. Allein mit Gewalt allerdings auch nicht. Wir brauchen beides.»
Das gewaltsame Vorgehen der Polizei stosse auf immer mehr Widerstand in der Hongkonger Bevölkerung, sagte Wong. «Erst hat die Polizei nur Demonstranten verhaftet, dann Ersthelfer, Pastoren und nun Zivilisten.»
Mehr als 4000 Menschen seien inzwischen festgenommen worden. «Das stärkt das Verständnis der Bevölkerung für die Proteste» zeigte sich der 23-Jährige, der wegen seines Engagements bereits mehrfach in Haft war, überzeugt.
Ein Video in den sozialen Medien bestätigt seine Einschätzung. Als bekannt wurde, dass Studenten in der Polytechnischen Universität von der Polizei umzingelt wurden, stürmten Hunderte Einwohner des nahe gelegenen Stadtteils Whampoa in Richtung der Universität.
Residents in Whampoa were on the move, heading to #PolyU on foot, trying to help the civilians who trapped inside the campus, #HKPoliceTerrorists were right behind them, chasing them off.#HongKong#TiananmenSquareMassacre2019 pic.twitter.com/ZVnw97JgXl
— Nikki 🇺🇸🌸 (@nikki_miumiu) November 17, 2019
Aber auch die Regierungsanhänger machen mobil. In der Nacht, noch bevor die Polizei den Campus stürmte, hatte sich Dutzende in dem Gebiet versammelt, um Barrikaden in der Nähe des Universitätsgeländes zu beseitigen.
Etwa 80 bis 100 Menschen mittleren Alters klatschten und jubelten, als die Regierungsanhänger Trümmer von der Strasse in der Nähe vom Eingang des umkämpften «Cross Harbour»-Tunnels wegräumten. Der Tunnel wurde seit Dienstag blockiert.