Google-Suche zeigt, was viele von Klimaaktivisten halten
«Darf ich Klima-Aktivisten anpinkeln?» ist ein beliebter Suchbegriff bei Google. Einer, der unsere Gesellschaft widerspiegelt, so Experten.
Das Wichtigste in Kürze
- Es herrscht eine grosse Gewaltbereitschaft gegen Klimaaktivisten.
- Dies lässt sich aus automatisch vervollständigten Suchvorschlägen bei Google ableiten.
- Ein Soziologe findet dies bedenklich und appelliert daran, mehr «nachzudenken».
Diese Suchanfrage sorgt für Stirnrunzeln: Tippte man bei Google vergangene Woche «Darf man Klim» ein, schlug die Suchmaschine als Erstes vor: «Darf man Klimaaktivisten überfahren».
Inzwischen erscheint dieser Suchbegriff an dritter Stelle, abgelöst wurde er durch: «Darf man Klimaaktivisten von der Strasse entfernen». Auch vorgeschlagen werden sogar Eingaben wie «Darf man Klimaaktivisten anpinkeln», oder «Darf man Klima Kleber schlagen». Wie bitte?
Wie kommen solche Eingaben zustande, und was sagen diese über Google-Nutzer aus? Christine Plote von der Open Search Foundation, die sich mit Suchmaschinen-Fragen auseinandersetzt, erklärt: «Diese ‹Suchvorschläge› nennt Google ‹Autocomplete›.»
Google betone, dass diese scheinbaren «Vorschläge» viel mehr «Vorhersagen» seien, die eine beabsichtigte Suche schneller vervollständigen sollen.
Verkauft würden diese von Google als «grosse Zeitersparnis». Die Angaben widerspiegelten dabei tatsächlich unsere Gesellschaft. «Es handelt sich um Suchanfragen von anderen Menschen, um Gedanken», weiss Plote. Der Hass auf Klimaaktivisten ist also – zumindest teilweise – real.
Gleichzeitig stellt sie fest: «Eine solche Suchanfrage kann auch durch echtes Interesse gesteuert sein. Im Sinne von: ‹Stimmt es wirklich, dass man Klimaaktivisten überfahren darf? Das kann doch nicht sein›.»
In der Regel sei es ausserdem so, dass bestimmte Themen durch Suchmaschinen verstärkt werden können. Die Algorithmen von Google seien hier jedoch sehr intransparent. «Es gibt beispielsweise Studien, die zeigen, dass extreme Ansichten und Webseiten nach oben gerankt werden. Das wird von manchen sogar bewusst ausgenutzt.»
Das grosse Problem: «Diese Vorhersagen werden von Suchenden meist als Vorschläge oder sogar Meinung verstanden», so Plote. Autocomplete beeinflusse die Suchenden so in ihrer Suchentscheidung und gebe ungefragt Informationen, bevor man seine Suchanfrage vervollständigt.
«Suchvorschläge» bei Google: Soziologe erklärt Hass auf Klimaaktivisten
«Diese Vorschläge beeinflussen also direkt, wie die Nutzer der Suchmaschine die Welt wahrnehmen. Wenn wir uns dann noch bewusst machen, wie dominant Google ist, ist das eine Menge Einfluss.»
Komme hinzu: Je provokanter ein solcher Autocomplete-Suchvorschlag ist, desto mehr wird er angeklickt. «Ein Teufelskreis also, der solche Vorschläge in den Suchtrends weiter hochspült.»
Grundsätzlich sind die vermeintlichen Suchvorschläge also Folge des Suchverhaltens vieler Menschen. Doch woher der ganze Hass gegen Klimaaktivisten? Soziologe Ueli Mäder von der Uni Basel erläutert: «Unsere Gesellschaft ist konkurrenz- und geldgetrieben. Je schneller, desto besser, lautet das Motto.»
Was den gewohnten Ablauf störe – etwa Klimademos –, mache «aggressiv». Das zeigen nicht zuletzt die Videos vom Schweizer Komiker Zeki. In einem gibt er vor, Klimaaktivistinnen mit einem LKW zu überfahren. In einem anderen mit einem Flugzeug.
Der Trend verstärke sich ausserdem medial, die Leute kämen mit «Kurzfutter zum Spektakel». Mäder führt aus: «Suchmaschinen bilden das ab und spuren vor. Action geht vor.»
Wichtig wären Hintergründe, die zum Denken anregen. Mäder stellt in den Raum: «Etwa die Frage, was Klimaaktive umtreibt. Ihr Mut spiegelt unsere Lethargie.»