Huawei Nova 9 im Test: Das Phone mit der Achilles-Software
Mit dem Huawei Nova 9 will der China-Konzern den Westen zurückerobern. Hardware-technisch würde das sogar aufgehen, an der Software hapert es jedoch.
Das Wichtigste in Kürze
- Mit dem Huawei Nova 9 hat die China-Firma auch hierzulande ein neues Phone lanciert.
- Mit seinem Mittelklasse-Preis beeindruckt das Phone dank solider Hardware.
- Aufgezwungene Restriktionen bei Software sind aber die Achillesferse.
Lange war unklar, ob wir in der Schweiz kurzfristig wieder ein fähiges Smartphone aus dem Hause Huawei sehen werden. Das neue Nova 9 sollte die Firma wieder im westlichen Markt platzieren, scheitert aber im Endeffekt an dieser Mission. Schuld daran ist nicht einmal Huawei selbst. Wäre das Unternehmen nicht nach wie vor auf der schwarzen Liste der USA, könnte das Smartphone einiges bieten.
Huawei liefert gute Hardware zu gutem Preis
Aber von Anfang an: Für einen Startpreis von 499 Franken gibt es hier ein ordentlich beeindruckendes Datenblatt. Ein Snapdragon 778G mit 8 Gigabyte Arbeitsspeicher liefern genügend Leistung für die Alltagsverwendung. Lediglich bei intensiven Arbeiten, etwa beim Mobile-Gaming gerät die Hardware etwas ins Schwitzen. Auch der fest verbaute, nicht erweiterbare Speicher von 128 GB ist zumindest zufriedenstellend.
Die restlichen Daten können allemal überzeugen. So verbaut Huawei einen fast Flaggschiff-verdächtigen Screen mit 6,57 Zoll und satten 120 Hertz. Dieser löst mit FHD+ auch genügend scharf auf.
Der verbaute Snapdragon wäre übrigens eigentlich auf 5G ausgelegt, in dieser Version fehlt der schnelle Netzstandard jedoch.
Ein grosses Lob gebührt beim Huawei Nova 9 dem Akku. Trotz knapper 4300 Milliamperestunden hält dieser locker einen ganzen Arbeitstag durch, auch bei intensiver Nutzung. Oft hatte ich am Ende des Tages noch 30 Prozent Ladung übrig.
Dabei hält der Akku nicht nur lange aus, er ist auch schnell wieder voll. Dank mitgeliefertem 66-Watt-Netzteil gelingt das 0–100 in knapp 40 Minuten. Dies ist für viele Nutzer sicherlich das grösste Highlight des Phones.
Die Kamera ernüchtert Huawei-Enthusiasten
Was eher kein Highlight ist, ist die Kamera auf dem Gerät. Trotz wunderschöner Aufmachung des Kameramoduls auf der Rückseite hauen die damit geschossenen Fotos niemanden aus den Socken.
In optimalen Lichtverhältnissen liefert die Hauptkamera mit 50 Megapixel durchaus brauchbare Aufnahmen. Mit etwas Nachbearbeitung werden diese auch schnell Instagram-Tauglich. Sobald es dunkel wird oder die Lichtunterschiede zu harsch werden, bricht die Leistung ein.
Schade ist, dass die restlichen verbauten Sensoren ebenfalls wenig überzeugen. Der 8-MP-Ultraweitwinkel ist praktisch, hat jedoch klar die schlechtere Qualität als die Hauptkamera. Zu guter Letzt dienen der Makro- und der Tiefensensor mit je 2 Megapixeln im Prinzip nur zur Dekoration.
Die Kamera tut im Grossen und Ganzen ihren Dienst, ist aber nicht der Höhepunkt des Geräts. Dies erstaunt vor allem, da Kameras sonst zu Huaweis Stärken gehören. Hier wurde aber klar gespart, um den Preis von 500 Franken nicht übersteigen zu müssen.
Die nahezu unbrauchbare Software beim Nova 9
Nun zum Elefanten im Raum: Die Software. Huawei hat ein wahres Durcheinander. Das hauseigene Harmony OS scheint für unseren Markt noch nicht bereit zu sein. Zumindest kommt es beim Nova 9 noch nicht zum Einsatz.
Das Resultat fühlt sich wie eine Notlösung an, denn das Phone wird weiter mit EMUI 12 betreiben. Nur eben ohne Android oder Google-Dienste, wegen des andauernden US-Banns. Dies führt zu einer Nutzererfahrung, welche sich leider nicht komplett anfühlt.
Zumindest können langsam aber sicher die wichtigsten Apps aus der Huawei App Gallery installiert werden. In Huaweis Pendant zum Google Play Store finden sich mittlerweile sogar Schweizer Anwendungen wie die Covid-Zertifikat-App oder die Nau.ch-App. Populäre und wichtige Apps wie WhatsApp oder Instagram gibt es jedoch noch nicht.
Workarounds, Workarounds, Workarounds
Um diese Apps zu verwenden, werden im Netz via «Petal Search» die entsprechenden APKs gesucht, welche installiert werden können. So bekommt man zumindest die Anwendungen aufs Handy, doch damit ist es nicht getan.
Alles, was Google-Dienste benötigt, funktioniert nicht. Die meisten Apps sind nicht in der Lage, Push-Meldungen zu verschicken. Und wenn, dann kommen sie oft stark verzögert. Einige Anwendungen, wie etwa die gängigsten E-Banking-Apps können auf dem Huawei Nova 9 schlicht nicht genutzt werden.
Mittels Workarounds und Tricksereien wird das Gerät durchaus brauchbar, doch das ist auch für erfahrene Android-Nutzer eine Herausforderung. Für Normalverbraucher ist die Software des Nova 9 leider praktisch unbrauchbar, und das ist nicht einmal Huaweis schuld.
Das Huawei Nova 9: Ungenutztes Potenzial
Das Huawei Nova 9 verspricht Grosses. Dank starker Hardware und einem kompetitiven Preis müsste sich das Gerät vor keinem Mittelklasse-Handy verstecken. Es gibt bei dem Smartphone jedoch einen Haken und dieser ist riesig — die Software.
Gäbe es das Huawei Nova mit Android und Google-Diensten, wäre es definitiv ein Favorit unter den aktuellen Mittelklasse-Phones. Für knapp 500 Franken gäbe es hier eine erstklassige Preisleistung — wenn da nicht die Software wäre. Wer sich aber mit dieser abfinden kann, darf sich auf einen Allrounder mit erstaunlicher Akku-Arbeit freuen.