55-Jähriger nach Mordaufrufen über Telegram-Kanal in Psychiatrie eingewiesen
Wegen des massenhaften Versands angeblicher Todesurteile über den Messengerdienst Telegram hat das Landgericht in Oldenburg einen psychisch kranken 55-Jährigen in eine Fachklinik eingewiesen.
Das Wichtigste in Kürze
- Urteil in Prozess um selbsternannten «SHAEF»-Kommandanten in Oldenburg.
Die Richter sahen es nach Angaben eines Sprechers am Donnerstag als erwiesen an, dass der Mann wegen einer Wahnerkrankung nicht schuldfähig ist. Er wurde freigesprochen, soll wegen Gefährlichkeit zugleich aber auf unbestimmte Zeit in einer Psychiatrie unterkommen.
Der Mann hatte laut Anklage einen Kanal mit tausenden sogenannten Followern betrieben, wo er sich als ein zur Ausübung von Hoheitsrechten befugter Vertreter der US-Streitkräfte und Kommandant eines «SHAEF»-Hauptquartiers ausgab. In dieser Funktion veröffentlichte er Drohungen mit Mordaufrufen, angeblichen Todesurteilen und vermeintlichen «Bekanntmachungen». Sie waren etwa gegen Politiker, Polizisten, Richter, Impfgegner oder Ärzte gerichtet.
«SHAEF» ist die englische Abkürzung für das ehemalige Oberkommando der alliierten Streitkräfte in Nordwest- und Mitteleuropa, das den militärischen Kampf gegen Nazi-Deutschland in den letzten rund eineinhalb Jahren des Zweiten Weltkriegs organisierte. Es handelt sich um eine rein historische Institution, die rund zwei Monate nach Ende des Weltkriegs aufgelöst wurde.
Der Kanal stiess nach früheren Angaben von Verfassungsschutzbehörden in der Szene der sogenannten Reichsbürger und ihnen nahestehenden Gruppierungen auf Resonanz und wurde vielfach verbreitet. Demnach waren die Veröffentlichungen nicht selten «ausufernd» und wirkten auf Aussenstehende «häufig konfus». Sie waren demnach verbunden mit dem Hinweis, dass die Bundesrepublik nicht als souveräner Staat existiere und allein das «SHAEF» die Staatsgewalt ausübe.
In dem Verfahren in der niedersächsischen Stadt musste sich der Mann unter anderem wegen des öffentlichen Aufrufs zu Straftaten verantworten. Sein Auftreten in dem Prozess verstärkte allerdings massiv Zweifel an seiner psychischen Gesundheit. So räumte er alle Vorwürfe schon zu Verfahrensbeginn ein. Zugleich bestand er allerdings darauf, tatsächlich «Major» und von den US-Streitkräften mit entsprechenden Vollmachten ausgestattet worden zu sein.
Laut Gerichtssprecher gab er im weiteren Prozessverlauf unter anderem auch an, er sei vom russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump beauftragt worden. Für diese beantragte er demnach tatsächlich auch Besuchserlaubnisse für die Untersuchungshaftanstalt.
Ein als Experte hinzugezogener psychiatrischer Gutachter diagnostizierte eine Wahnerkrankung und stufte den Angeklagten als einsichts- und damit letztlich schuldunfähig ein. Zugleich stufte er diesen als gefährlich ein und ging davon aus, dass dieser unvermindert weiter Taten begehen würde.
Das Gericht schloss sich diesen Einschätzungen an. In seinem Urteil verwies es dem Sprecher zufolge ausserdem darauf, dass damit zugleich ein «klares Zeichen» gegen das Problem der Hassdrohungen im Internet gesetzt werde.
In dem Verfahren ging es um einen Tatzeitraum zwischen April und November vergangenen Jahres, in denen die Drohungen und Aufrufe verschickt wurden. Im März hatte der hessische Verfassungsschutz vor den Drohschreiben eines selbsternannten «SHAEF-Commanders» im Umfeld der hatte demnach mehr als 11.000 Abonnenten und wurde schliesslich durch nicht näher genannte «Exekutivmassnahmen» der Behörden an der weiteren Verbreitung gehindert.
Das Urteil entsprach der Forderung der Staatsanwaltschaft, die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert. Den Untersuchungshaftbefehl liess das Gericht in Kraft, er wurde aber abgewandelt in eine vorläufige Unterbringung in einer Psychiatrie. Wenn das Urteil rechtskräftig wird, kommt der Mann für unbestimmte Zeit in eine Psychiatrie, bis er nicht mehr als gefährlich gilt.