Die Corona-Krise hat 2020 für einen kleinen Fahrrad-Boom gesorgt. Pop-up-Radwege in Städten und oft leerere Strassen machten das Radeln angenehmer. Begeisterung will sich beim Lobbyverband ADFC trotzdem nicht einstellen.
Radfahrer unterwegs in Berlin. Das Ziel des Nationalen Radverkehrsplans 2020, den Radverkehrs-Anteil auf 15 Prozent zu steigern, wurde nach Einschätzung des ADFC verfehlt. Foto: Paul Zinken/dpa-Zentralbild/dpa
Radfahrer unterwegs in Berlin. Das Ziel des Nationalen Radverkehrsplans 2020, den Radverkehrs-Anteil auf 15 Prozent zu steigern, wurde nach Einschätzung des ADFC verfehlt. Foto: Paul Zinken/dpa-Zentralbild/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Auf den ersten Blick war das Corona-Jahr ein gutes Jahr für den Radverkehr.
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Neue Verkehrsregeln zum Schutz von Radlern, spontan eingerichtete Pop-up-Radwege, dem Fahrradclub ADFC zufolge wurden nie mehr Fahrräder verkauft als 2020, und nie entdeckten mehr Menschen das Radfahren für sich.

Dennoch fällt die Bilanz des Lobbyverbands bestenfalls gemischt aus. Die Verkehrswende komme mit der Neuverteilung des Strassenraums «nicht aus den Startlöchern», sagte die Vizebundesvorsitzende Rebecca Peters der Deutschen Presse-Agentur. «Politische Mutlosigkeit in Stadträten und Verkehrsverwaltungen ist die Hauptursache des Problems.»

Verstärkt werde die Blockade «durch lautstarke Auto-Traditionalisten», beklagte Peters, «die mit Klauen und Zähnen ihr eingebildetes Recht verteidigen, vor jedem beliebigen Ziel parken zu dürfen – am besten gratis und über zwei Parkplätze hinweg, weil die immer grösseren Autos nirgendwo mehr hineinpassen.» In der Tat ist der SUV-Boom in Deutschland ungebrochen, und dass viele Modelle jetzt zumindest auf kurzen Strecken auch elektrisch fahren können, ändert nichts am Platzbedarf der sogenannten Stadtgeländewagen.

Das Ziel des Nationalen Radverkehrsplans 2020, den Radverkehrs-Anteil auf 15 Prozent zu steigern, wurde nach Einschätzung des ADFC verfehlt - also das Ziel, dass 15 von 100 Kilometern auf dem Fahrrad zurückgelegt werden. Studien kämen zu dem Ergebnis, dass es eher 11 Prozent seien, bemängelt der Verband. Diese Zahlen beziehen sich auf 2017. Bis 2019 habe sich aber kaum etwas getan, belastbare Daten für 2020 gebe es noch nicht, erklärte eine Sprecherin.

Allerdings spricht manches dafür, dass sich das Mobilitätsverhalten in der Corona-Krise geändert hat. Dem «Mobilitätsmonitor 2020» des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften acatech zufolge stieg der Anteil der Bürger, der täglich Fahrrad fährt, im Vergleich zum Vorjahr von 17 auf 22 Prozent. Gut für die Gesundheit, gut fürs Klima. Viele möchten laut dieser Studie auch nach der Krise öfter radeln.

Der neue Nationale Radverkehrsplan, der dem Verkehrsministerium zufolge im April 2021 kommen soll, muss sich aus Sicht der Rad-Lobby messen lassen an klar messbaren Zielen, einer Verstetigung der Bundesmittel und einem verbindlichen Massnahmenprogramm für den Bau von Qualitäts-Radinfrastruktur durch Bund, Länder und Kommunen.

Lobende Worte findet der ADFC aber auch. «Erstmals gibt es richtig Geld vom Bund für den Radwegebau in den Kommunen», sagte Peters. «Die Politik überschlägt sich mit Empfehlungen zum Radfahren.» Zudem fördere Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) Stiftungsprofessuren zum Radverkehr. Der Bund habe seine Investitionen in den Radverkehr bis 2023 verdreifacht - es gehe aber trotzdem viel zu langsam voran, vor allem in den Kommunen. Peters schliesst daraus: «So bleibt das Fahrradland Deutschland noch lange eine Grossbaustelle.»

Politisch ging es in diesem Jahr mehrmals hoch her rund ums Radfahren. Da ist einmal die Novelle der Strassenverkehrsordnung, die für mehr Sicherheit und Komfort beim Radfahren in Städten sorgen soll - etwa, indem Autofahrern Mindestabstände fürs Überholen vorgeschrieben werden oder das Parken an Einmündungen eingeschränkt wird. Allerdings gibt es bis heute keine Bussgelder für Verstösse dagegen, weil ein Streit um höhere Strafen für Raser nicht gelöst wurde.

Ein zweites grosses Thema waren sogenannte Pop-up-Radwege, die ohne den sonst üblichen oft jahrelangen Planungsvorlauf während der ersten Corona-Welle vor allem in der Bundeshauptstadt Berlin entstanden. Viele Berliner hätten kein Auto und in Bussen und Bahnen sei es zu eng, hiess es zur Begründung. Im September bezweifelte ein Verwaltungsgericht die Rechtmässigkeit der Radwege, schon im Oktober hob das Oberverwaltungsgericht diese Entscheidung aber wieder auf.

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