Gedenken und Trauer fünf Jahre nach Anschlag von Berlin
Kurz vor Weihnachten 2016 erlebt Deutschland den schlimmsten islamistischen Terroranschlag. Er kostet 13 Menschen das Leben und reisst Wunden, die vielleicht nie alle verheilen.
Das Wichtigste in Kürze
- Fünf Jahre nach dem islamistischen Terroranschlag auf dem Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche haben Politiker und Angehörige von Opfern an die Schreckenstat erinnert.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier räumte am Sonntagabend bei einer Andacht in der Kirche Fehler des Staates ein. «Der Staat hat sein Versprechen auf Schutz, auf Sicherheit und Freiheit nicht einhalten können», sagte Steinmeier. Er «steht in der Pflicht, die Fehler, Versäumnisse und Probleme auszuräumen, die dazu beigetragen haben, dass dieser Anschlag nicht verhindert wurde».
Unter den Teilnehmern der Andacht waren auch die neue Bundesinnenministerin Nancy Faeser, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, seine designierte Nachfolgerin Franziska Giffey (alle SPD) und mehrere Berliner Senatoren.
Nach der Andacht versammelten sich die etwa 200 Menschen zum Gedenken an dem Mahnmal an den Stufen hinter der Kirche. Dort lagen zahlreiche Kränze und Blumen. Auf den Stufen standen Fotos der Todesopfer und brennende Kerzen. Auch der Name des 13. Todesopfers - eines Helfers, der im Oktober dieses Jahres an den Spätfolgen seiner Verletzungen starb - war an den Stufen angebracht.
Die Beleuchtung am Weihnachtsmarkt wurde ausgeschaltet, es wurde still. Die Namen der Opfer wurden vorgelesen, während an den Absperrgittern schweigend zahlreiche Besucher standen. Kurz nach 20.02 Uhr, dem Zeitpunkt des Anschlags, läutete eine Kirchenglocke 13 Mal.
Am 19. Dezember 2016 war ein islamistischer Terrorist in einem entführten Lastwagen in den Weihnachtsmarkt gefahren. Infolge der Tat starben 13 Menschen, Dutzende wurden verletzt. Der Attentäter floh damals nach Italien, wo er von der Polizei erschossen wurde.
Steinmeier: Anschlag galt unserer Art zu leben
Steinmeier sagte weiter, der Anschlag habe die Hinterbliebenen in Schmerz und Trauer gestürzt. «Der Riss des 19. Dezember 2016 teilt Ihr Leben in ein Davor und ein Danach», sagte Steinmeier. Der Anschlag «galt unserer Art zu leben: in Frieden, Freiheit und Demokratie». Diese dürfe man sich nicht nehmen lassen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte zuvor erklärt: «Der Staat muss wehrhaft sein und seine Bürgerinnen und Bürger schützen.» Beide erinnerten an den tiefen Schmerz der Angehörigen.
Der Regierende Bürgermeister Müller sagte in der Kirche: «Auch wenn wir wachsam bleiben müssen, werden wir unser Leben nicht von Angst und Hass bestimmen lassen.» Die Terroristen «haben keinen Sieg davon getragen».
Eine Frau, die ihren Vater bei dem Anschlag verlor, sprach in einer kurzen Rede am Mahnmal von einem «ewigen Schmerz». Für die Opfer gebe es ein Recht auf Aufklärung. «Seien wir alle wach und wachsam.»
Einige Opfer hatten sich in einem offenen Brief an die Bundesregierung unzufrieden geäussert. Sie forderten einen würdigen Umgang mit den Betroffenen und die umfassende Aufklärung der Tat. Bundesinnenministerin Faeser sagte dies zu. «Soweit noch Fragen offen sind, werden wir Antworten suchen.» Sie betonte: «Nichts wird unter den Teppich gekehrt. Das sind wir den Opfern und Hinterbliebenen schuldig.»
Die Opferorganisation Weisser Ring erinnerte daran, dass die Aufarbeitung noch längst nicht abgeschlossen sei. «Es laufen immer noch mühsame Prozesse vor allem im Bereich der Opferentschädigung, es gibt etliche Erwerbsunfähigkeiten von Betroffenen», sagte Bundesgeschäftsführerin Bianca Biwer der «Heilbronner Stimme».
Kritik am Umgang mit Opfern und Hinterbliebenen
Teils kämen noch neue Fälle hinzu, weil Menschen nur scheinbar gut zurecht gekommen seien. «Sie haben das Trauma zunächst gar nicht erkannt», sagte Biwer. Die Behörden hätten im Umgang mit den Opfern Fehler gemacht, etwa bei der Zusendung blutgetränkter Gegenstände, aber auch bei Entschädigungsanträgen. «Da war kein opfersensibler Umgang zu erkennen, es gab keine Transparenz.»
Der Berliner Opferbeauftragte Roland Weber sagte, die Kommunikation staatlicher Stellen sei von Anfang an nicht glücklich gewesen, und die Opfer hätten sich bei Anträgen auf Unterstützung wie Bittsteller gefühlt. «Das führt zu Wut und Frust», sagte der Anwalt im Deutschlandfunk. Gleichwohl gebe es Verbesserungen. «Der Breitscheidplatz, denke ich, kann durchaus als Zäsur im Opferschutz angesehen werden.»
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte den Opfern mehr Unterstützung zu. «Die Betroffenen können gewiss sein, dass wir für sie da sein werden.» Er unterstütze den Plan der Ampel-Koalition, den 11. März zum nationalen Gedenktag für die Opfer terroristischer Gewalt zu erklären.