Armenien: Türkei greift in Konflikt in Berg-Karabach ein
Das Wichtigste in Kürze
- Armenien hat der Türkei vorgeworfen, an den Gefechten direkt beteiligt zu sein.
- Der Präsident Aserbaidschans, Ilham Aliyev, weist den Vorwurf jedoch zurück.
- Die Kämpfe gingen am Wochenende weiter – trotz Appellen zu einer Waffenruhe.
Seit mittlerweile einer Woche dauern die neuen schweren Gefechte im Südkaukasus an. Armenien ist besorgt und behauptet, die Türkei greife in den Konflikt ein. Was sagt Aserbaidschan dazu?
«Es gibt 150 hochrangige türkische Offiziere, die die Militäroperationen Aserbaidschans leiten.» Dies sagte der armenische Ministerpräsidenten Nikol Paschinjan in einer Ansprache an sein Volk. «Das Ausmass der Offensive ist beispiellos.»
Zuvor hatte der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev gesagt, die Türkei als Verbündeter seines Landes sei nicht in den Konflikt verwickelt. Am Wochenende gingen die Gefechte im Südkaukasus unvermindert weiter - trotz Appellen zu einer Waffenruhe.
Paschinjan telefoniert mit Merkel
Es gebe Kämpfe über die gesamte Frontlinie hinweg, sagte Paschinjan. «Wir stehen vor einem schicksalhaften Kapitel unserer Geschichte.» Das armenische Volk sei Ziel Aserbaidschans und der Türkei, sagte der Regierungschef.
Laut armenischer Agentur Armenpress telefonierte er am Samstagabend zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Und habe sie über die Beteiligung türkischer Militäroffiziere informiert.
Aliyev wiederum dankte in einem von seinem Büro veröffentlichten Brief dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan für seine Unterstützung. Konkret verwies er darauf, dass die Türkei das Vorgehen Armeniens verurteile.
Aserbaidschan vermeldet neue Geländegewinne
Aserbaidschan hatte am Abend erneut Geländegewinne für sich reklamiert. Der Präsident schrieb bei Twitter, dass die Ortschaft Madagisin von der Armee erobert worden sei. «Ich gebe dem befreiten Madagisin seinen historischen Name zurück - Suqovuşan», betonte das Staatsoberhaupt.
Eine unabhängige Bestätigung für die Eroberung gab es nicht. Das Dorf befindet sich am strategisch wichtigen Sarsang-Stausee. Dieser kontrolliert die Wasserzufuhr für den Fluss Terter in der östlich gelegenen Ebene.
In der Nacht war die Lage nach armenischen Angaben zunächst vergleichsweise ruhig. Zuvor hatten die Behörden der Hauptstadt Stepanakert berichtet, dass die Stadt in Berg-Karabach von der aserbaidschanischen Seite beschossen worden sei. Die beiden verfeindeten Länder hatten den Tag über von Gefechten in mehreren Regionen gesprochen. Armenien teilte mit, Kampfflugzeuge des Gegners abgeschossen zu haben.
Region seit Jahrzehnten umkämpft
Seit mittlerweile einer Woche liefern sich die beiden Staaten schwere Gefechte in dem von Armenien kontrollierten Gebiet in Aserbaidschan. Diese gehen weit über die Scharmützel hinaus, die es zuletzt immer wieder in der Region gab. Beide Seiten schieben sich gegenseitig die Verantwortung für die neuerliche Eskalation zu.
Die beiden Länder kämpfen seit Jahrzehnten um die bergige Region, in der rund 145'000 Menschen leben. In einem Krieg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor rund 30 Jahren verlor Aserbaidschan die Kontrolle über das Gebiet. Es wird heute von christlichen Karabach-Armeniern bewohnt. Seit 1994 gilt eine brüchige Waffenruhe.
Moskau will Friedenstruppen schicken
Offizielles Gremium für die Vermittlung ist die Minsker Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Die Gruppe forderte ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen sowie eine Rückkehr an den Verhandlungstisch. Paschinjan brachte zudem russische Friedenstruppen ins Gespräch. Darüber solle in der Minsk-Gruppe diskutiert werden, meinte er.
Aserbaidschan sei nicht für die Zusammensetzung dieser Gruppe verantwortlich, sagte Aliyev dem Fernsehsender Al-Dschasira. Wenn heute über eine Besetzung dieser Gruppe zu entscheiden wäre, «wäre die Zusammensetzung natürlich völlig anders gewesen».
Moskau will russische Friedenstruppen nur mit Einverständnis von Eriwan und Baku in die Krisenregion schicken. Das sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Samstagabend, wie der Sender RBK berichtete. «Friedenstruppen können nur bei Zustimmung beider Seiten stationiert werden», wurde er zitiert.