Im Ukraine-Krieg wird ein Grossangriff im Osten erwartet. Russland hat seine Truppen dort aufgestockt, Selenskyj klagt über fehlende Waffen.
Ein Mann geht in einem Aussenbezirk von Kiew an einem Lagerplatz für verbrannte bewaffnete Fahrzeuge und Autos vorbei. Foto: Evgeniy Maloletka/AP/dpa
Ein Mann geht in einem Aussenbezirk von Kiew an einem Lagerplatz für verbrannte bewaffnete Fahrzeuge und Autos vorbei. Foto: Evgeniy Maloletka/AP/dpa - sda - Keystone/AP/Evgeniy Maloletka

Das Wichtigste in Kürze

  • In Mariupol berichtet das Asow-Regiment von einem Chemieangriff, London ermittelt.
  • Russland hat seine Truppen im Osten der Ukraine von 30'000 auf 40'000 Mann aufgestockt.
  • In der dortigen Steppe dürfte Russland im Vorteil, der Nachschub könnte einfacher sein.
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Im Osten der Ukraine zeichnet sich nach Erkenntnissen westlicher Militärs eine russische Grossoffensive mit Zehntausenden Soldaten und dem massiven Einsatz von Panzern, Artillerie und Luftwaffe ab. Russland habe seine Truppen dort vergangene Woche von 30'000 auf 40'000 Mann aufgestockt. Dies sagte ein Vertreter des US-Verteidigungsministeriums am Montag.

Der österreichische Kanzler Karl Nehammer äusserte sich nach einem Treffen beim russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau pessimistisch. Die russische Armee bereite eine Offensive in der Ostukraine vor, sagte er: «Diese Schlacht wird mit Vehemenz geführt werden.»

In der fast zerstörten Stadt Mariupol berichtete das ukrainische Asow-Regiment von einem angeblichen Angriff der Russen mit einer chemischen Substanz. Eine Bestätigung gab es nicht, die USA und Grossbritannien reagierten aber besorgt. Putin will sich am Dienstag im Fernen Osten mit dem belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko treffen.

Einsatz von Giftgas in Mariupol?

Kurz nach einer russischen Drohung mit dem Einsatz von Chemiewaffen in Mariupol sei dort eine unbekannte Substanz mit einer Drohne abgeworfen worden, teilte Asow am späten Montagabend mit. Der öffentlich-rechtliche ukrainische TV-Sender Suspilne berichtete aber, es gebe keine Bestätigung durch offizielle Stellen.

Den Asow-Angaben zufolge litten die getroffenen Personen unter Atembeschwerden und Bewegungsstörungen. Der ehemalige Asow-Kommandeur Andryj Bilezkyj berichtete von drei Personen mit Vergiftungserscheinungen.

Ukraine Krieg
Die Stadt Mariupol wurde im Ukraine-Krieg bereits stark beschädigt. - Keystone

Die westlichen Staaten haben Moskau vor ernsthaften Konsequenzen gewarnt, falls es im Ukraine-Krieg Chemiewaffen oder andere Massenvernichtungswaffen einsetzen sollte. Nach den Berichten aus Mariupol schrieb die britische Aussenministerin Liz Truss auf Twitter, jeder Einsatz solcher Waffen wäre eine Eskalation, für die man den russischen Präsidenten Putin und seine Führung zur Verantwortung ziehen werde.

Am Montag hatte der Militärsprecher der prorussischen Separatisten von Donezk, Eduard Bassurin, gesagt, die ukrainischen Kämpfer seien in die Stahlfabrik Asowstal abgedrängt worden. Ein Kampf um die Befestigungen auf dem Fabrikgelände wäre zu verlustreich. Deshalb sollte man auf chemisch bewaffnete Truppen setzen, sagte er.

Im Syrien-Krieg hat Russland nicht selbst Chemiewaffen eingesetzt. Der Kreml hatte den nachgewiesenen Abwurf von Bomben mit Giftgas durch die syrische Regierung gedeckt und abgestritten.

Selenskyj klagt über fehlende Waffen

Der Ukraine fehlen nach Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj die schweren Waffen, um das fast verlorene Mariupol zu befreien. «Wenn wir Flugzeuge und genug schwere gepanzerte Fahrzeuge und die nötige Artillerie hätten, könnten wir es schaffen», sagte er in seiner nächtlichen Videoansprache.

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Wolodymyr Selenskyj bei einer Ansprache im südkoreanischen Parlament. - keystone

Er sei zwar sicher, dass die Ukraine irgendwann die Waffen bekommen werde, die sie brauche. «Aber nicht nur Zeit geht verloren, sondern auch das Leben von Ukrainern.» Auch er sprach von möglichen Chemiewaffenangriffen Russlands. Dies sollte für ausländische Staaten Anlass sein, noch härter auf die russische Aggression zu reagieren, sagte Selenskyj.

Durch den Krieg sei die Ukraine das am stärksten minenverseuchte Land der Welt, sagte der Präsident. Über der Grossstadt Charkiw warfen russische Einheiten nach Angaben der Gebietsverwaltung sogenannte Verzögerungsminen ab, die erst auf Bewegung reagieren. Die Angaben liessen sich zunächst nicht überprüfen. Durch Artilleriebeschuss wurden in dem Gebiet mindestens acht Zivilisten getötet.

Vor der grossen Schlacht im Osten

Das Kommando der ukrainischen Armee in der Ostukraine teilte mit, man habe im Gebiet Donezk an sechs Stellen Angriffe abgewehrt. Die Ukraine unterhält dort besonders starke Truppen, die seit 2014 die Front gegen die von Moskau gelenkten und ausgerüsteten Separatistenrepubliken Donezk und Luhansk halten.

Die russische Armee werde voraussichtlich versuchen, diese ukrainischen Verbände «einzukesseln und zu überwältigen», sagte die Sprecherin des Weissen Hauses, Jen Psaki. Die US-Regierung verwies darauf, dass Moskau erstmals einen Befehlshaber für den Feldzug in der Ukraine bestimmt habe, Alexander Dwornikow. Er befehligte zeitweise den russischen Einsatz in Syrien. Bei dem wurde mit Bombardements aus der Luft die Macht von Präsident Baschar al-Assad wiederhergestellt.

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General Alexander Dwornikow wurde für sein Wirken in Syrien von Putin ausgezeichnet und soll nun das Kommando im Ukraine-Krieg übernehmen. - Keystone

Den westlichen Einschätzungen nach könnte ein russischer Angriff von Norden aus Richtung Charkiw und Isjum erfolgen. Satellitenbilder zeigten vor Isjum einen kilometerlangen Konvoi mit Fahrzeugen zur Unterstützung von Infanterie, Kampfhubschrauber und Kommandostellen, sagte ein Pentagon-Vertreter. Ein zweiter Zangenangriff wird von Süden erwartet. Der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba fühlte sich bei der kommenden Schlacht bereits an die Panzerschlachten in Südrussland im Zweiten Weltkrieg erinnert.

Bei dem Vormarsch im waldigen Norden der Ukraine nach dem 24. Februar waren die russischen Truppen schnell steckengeblieben, die Ukrainer konnten aus dem Hinterhalt viele Konvois bewegungsunfähig schiessen. Im Osten der Ukraine könnten die russischen Truppen kompakter stehen, ihre Nachschublinien seien kürzer, sagten US-Militärexperten. In der offenen Steppenlandschaft ohne Deckung seien die gepanzerten russischen Verbände im Vorteil. Andere Experten sagten voraus, der Nachschub bleibe auch im Osten ein Problem für die russische Armee.

Das wird heute wichtig

Zum russischen Tag der Raumfahrt trifft sich Putin am Weltraumbahnhof Wostotschny im Fernen Osten mit dem belarussischen Staatschef Lukaschenko. Die russische Armee nutzt Belarus als Aufmarschgebiet gegen die Ukraine und startet angeblich auch Luftangriffe von dort. Nach dem Präsidententreffen will Putin sich Fragen von Journalisten stellen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besucht am Dienstag das östliche EU- und Nato-Mitglied Polen, das Millionen von Flüchtlingen aus der Ukraine aufgenommen hat.

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