Betrunken dem Hype folgen: E-Scooter im Visier der Polizei
Das Wichtigste in Kürze
- Das Messgerät der Polizei schlägt an: 1,7 Promille hat der junge Mann auf dem Elektro-Tretroller.
Mit viel zu viel Alkohol im Blut kurvte der 18-Jährige zusammen mit Freunden durch das nächtliche München.
Ihre Fahrt endet in einer Polizeikontrolle - für den Betrunkenen geht der Tag mit einer Blutentnahme in der Gerichtsmedizin und einer Strafanzeige zu Ende.
Mehr Glück hat Slava. Nach drei Bier ist der 37-Jährige zum ersten Mal in seinem Leben auf einen E-Tretroller gestiegen und wird von den Beamten gestoppt. Er hat weniger als 0,5 Promille und überschreitet den Grenzwert somit nicht. Trotzdem raten ihm die Polizisten, das Gefährt eines Leihanbieters abzustellen und zu Fuss weiterzugehen. Der Mann aus Köln hält sich an den Ratschlag, findet die Kontrolle aber ein wenig übertrieben. «Ein bisschen mehr Promille sollten erlaubt sein.»
Für E-Scooter-Fahrer gelten dieselben Promillegrenzen wie für Autofahrer. «Das wissen sehr viele Leute nicht», sagt einer der bayerischen Beamten, während er den Radweg unweit der Universität im Blick hat und nach weiteren Tretrollern Ausschau hält.
Seit fast einem Monat sind auf deutschen Strassen die Flitzer erlaubt. In zahlreichen Städten können Menschen die Roller ausleihen, nur wenige kurven mit eigenen herum. Wie viele Gefährte es bundesweit gibt, dazu gibt es keine Zahlen. Immer mehr Leihanbieter drängen auf den Markt.
Alleine in der bayerischen Landeshauptstadt erlauben die Behörden im Zentrum pro Anbieter 1000 Scooter. Vermutlich werde sich die Zahl im Lauf des Sommers erhöhen, heisst es aus dem Rathaus. Dort rechnen sie mit rund 10.000 Tretrollern, die dann ausgeliehen werden können.
Die Behörden wollen demnächst herausfinden, für welche Fahrten die Menschen die E-Scooter überhaupt nutzen: Noch ist völlig unklar, ob die Menschen nur zum Spass mit ihnen durch die Stadt düsen oder ob sie wirklich auf das Auto verzichten, um staufrei ins Büro zu kommen.
Fest steht aber: Bundesweit gab es schon zahlreiche Kollisionen mit den Elektro-Tretrollern. Das sehen auch Ärzte in Notaufnahmen. Insbesondere Fussgänger und Rollerfahrer seien dabei betroffen und trügen zum Teil schwere Verletzungen davon, erklärt die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie. In München krachte erst vor kurzem ein Betrunkener auf einem E-Scooter in ein Polizeiauto.
Seit der Zulassung der Tretroller mit Elektroantrieb und einer Höchstgeschwindigkeit von 20 Stundenkilometern am 15. Juni gab es in der bayerischen Landeshauptstadt mehr als 100 Alkohol- und Drogenverstösse, wie Polizeisprecher Sven Müller erklärt. Mit diesen Zahlen steht Bayern nicht alleine da.
Bei der Kontrolle in München wird deutlich: Viele junge Menschen unter 21 Jahren stellen sich alkoholisiert auf die Roller und wissen nicht, welche Folgen das für ihren Autoführerschein haben kann. Polizeisprecher Müller ist selbst überrascht, wie viele Auto-Fahranfänger mit Alkohol im Blut mit E-Scootern herumdüsen - mit fatalen Folgen. Eine 19 Jahre alte Frau winken die Polizisten in die Kontrollstelle. Sie hat 0,4 Promille, für Autofahrer in der Probezeit wäre das auch auf einem Tretroller zu viel. Sollte sie einen Führerschein haben, drohen ihr ein Fahrverbot, Punkte in Flensburg und ein Bussgeld.
Es ist die dritte Schwerpunktkontrolle von E-Scootern für die Polizisten. Einem der Beamten fällt auf: Eigentlich alle Fahrer nutzen die Radwege - so wie es vorgeschrieben ist. Was die Ordnungshüter freut, ärgert viele Radfahrer. «Es ist politisch ziemlich unverantwortlich, immer mehr Fahrzeuge auf die total unterdimensionierten Radwege zu lassen, ohne die Radwege dem gestiegenen Bedarf anzupassen», teilt eine Sprecherin des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs ADFC mit.
Eine Helmpflicht besteht für die Fahrer von E-Scootern nicht. Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) will daran auch nichts ändern. «Dann muss man das verfolgen, wie sich das weiter entwickelt, ob es da gegebenenfalls Erkenntnisse gibt über die Unfallzahlen. Und dann muss man darüber noch einmal neu entscheiden», sagt er. Sollte es doch Pflicht werden, wäre das zwar sicherer, sagen die Polizisten an der Kontrollstelle im Münchner Univiertel, würde aber das Leihsystem zum Erliegen bringen - weil dann die Anbieter die Helme bereitstellen müssten.