Brüssel soll Polen laut der Gerichtspräsidentin im Blick behalten
Das Wichtigste in Kürze
- Malgorzata Gersdorf will eine genaue Beobachtung Polens durch die EU-Kommission.
- Polens Regierungspartei streitet seit drei Jahren mit Brüssel über Rechtsstaatlichkeit.
Der Streit zwischen Polen und der EU über die Unabhängigkeit der Justiz wird trotz einiger Zugeständnisse der umstritten PiS-Regierung nach Einschätzung von Warschaus oberster Gerichtspräsidentin Malgorzata Gersdorf weitergehen. «Die Probleme bleiben bestehen», sagte sie dem «Badischen Tagblatt» (Samstag). Das Einlenken der Regierenden bei umstrittenen Zwangspensionierungen von Richtern betreffe nur einen Teilbereich der Justiz. Das Verfassungsgericht beispielsweise sei nach Personalwechseln nicht mehr unabhängig, warnte Gersdorf und forderte: «Die EU-Kommission muss Polen weiter im Blick behalten.»
Polens Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit PiS streitet seit knapp drei Jahren mit der EU-Kommission über Rechtsstaatlichkeit. Brüssel sieht unter anderem nach Reformen des Verfassungsgerichts, Landesrichterrats und der allgemeinen Gerichte EU-Grundwerte in Gefahr und führt ein Rechtsstaatsverfahren, was als schärfste Waffe gegen Regelverstösse von Mitgliedsstaaten gilt. Gegen die Zwangspensionierungen am Obersten Gericht, mit denen die PiS laut Kritikern missliebige Juristen loswerden wollte, klagte die Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Dieser ordnete im Oktober per einstweiliger Anordnung die Aufhebung der Pensionierungen bis zum endgültigen Urteil an. Warschau kam dem Beschluss Ende November nach. Parlament und Senat verabschiedeten ein entsprechendes Gesetz, das den etwa 20 betroffenen Richtern, darunter Gersdorf, den Dienst wieder erlaubt. Die Juristin mahnte nun an, Präsident Andrzej Duda müsse die Reform noch unterschreiben. Dafür hat er laut Präsidentenkanzlei bis zum 17. Dezember Zeit. Die zwischenzeitlich pensionierten Juristen waren allerdings bereits nach der EuGH-Anordnung ans Gericht zurückgekehrt.