Noch ein Corona-Haushalt: Bund will auch 2022 mehr Schulden
Die noch amtierende Bundesregierung legt noch einmal einen Haushaltsentwurf vor. Die Hauptbotschaft: Die Finanzen sind im Griff. Nach der Wahl werden die Karten neu gemischt.
Das Wichtigste in Kürze
- Zusätzliches Geld für Gesundheit, Pflege, Unternehmen, Klimaschutz und Verteidigung: Der Bund will im kommenden Jahr auch vor dem Hintergrund der Corona-Krise mehr neue Schulden machen als bisher geplant.
Konkret ist eine Nettokreditaufnahme von 99,7 Milliarden Euro vorgesehen - bisher geplant waren 81,5 Milliarden Euro. Die höheren Schulden seien nicht nur notwendig, sondern auch gerechtfertigt, hiess es am Montag aus dem Bundesfinanzministerium in Berlin. Erneut soll 2022 die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ausgesetzt werden - ab 2023 soll sie aber wieder eingehalten werden.
Das Bundeskabinett will den Haushaltsentwurf an diesem Mittwoch beschliessen. Verabschiedet wird der Etat dann aber vom neuen Bundestag, der Ende September gewählt wird. Insofern kann es noch zu deutlichen Änderungen kommen.
Der Regierungsentwurf sieht Investitionen von rund 51,8 Milliarden vor, bei Gesamtausgaben von 443 Milliarden Euro. Fast 100 Milliarden Euro neue Schulden sollen gemacht werden, damit ist es der dritte Corona-Haushalt. 2020 lag die Nettokreditaufnahme bei rund 130,5 Milliarden Euro, 2021 bei rund 240 Milliarden Euro.
Die höhere Nettokreditaufnahme für 2022 als in den im März vorgelegten Eckwerten hat mehrere Gründe. Sieben Milliarden Euro zusätzlich gehen an den Gesundheitsfonds, um den Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung zu stabilisieren. Im Finanzministerium geht man davon aus, dass dies reicht - es gibt aber auch andere Stimmen. Für die Pflegeversicherung gibt der Bund einen Zuschuss von jährlich eine Milliarde Euro. Ziel ist es, die Sozialversicherungsbeiträge unter 40 Prozent zu halten, die Wirtschaft sieht dies als kritische Marke.
Daneben gibt es noch einmal drei Milliarden mehr für Wirtschaftshilfen und mehr Geld für den Klimaschutz. Die Bundesregierung will Klimaziele anheben und hatte dazu auch einen «Klimapakt» über acht Milliarden Euro beschlossen, um etwa neue Technologien zu fördern - dabei handelt es sich aber auch um Gelder aus Programmen, die nicht ausgeschöpft wurden. Zusätzliches Geld ist auch für die Verteidigung geplant - Grund sind Rüstungsprojekte, welche die schwarz-rote Koalition auf den Weg bringen will. Zugleich sollen auch die Entwicklungsausgaben steigen.
Die Botschaft aus dem Finanzministerium lautete am Montag: «Wir haben die Finanzen fest im Griff.» Und dies trotz der umfangreichen Corona-Hilfsprogramme, mit denen die Folgen der Krise für Firmen und Jobs abgefedert worden seien. Der Arbeitsmarkt sei stabil, es sei keine Insolvenzwelle zu erwarten. Die Schuldenquote sei geringer als nach der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise vor mehr als zehn Jahren, die Finanzpolitik seriös und verlässlich - das ist auch eine der Botschaften, mit der SPD-Kanzlerkandidat und Finanzminister Olaf Scholz in den Wahlkampf ziehen dürfte.
Nach der Wahl aber werden die Karten neu gemischt. Eine der zentralen Fragen lautet: wie geht es weiter mit der Schuldenbremse, nach der nur eine geringe Nettokreditaufnahme möglich ist? Nur mit dem Einsatz milliardenschwerer Mittel aus der Rücklage kann der Bund sie laut Finanzplan ab 2023 einhalten.
Die Grünen etwa wollen eine Reform der Schuldenbremse, um mehr Investitionen in den Klimaschutz oder die Infrastruktur zu ermögliche, die Union lehnt das ab. Umstritten ist auch, ob Vermögende mehr Steuern zahlen sollen, wie es zum Beispiel die SPD will.
Und die Union geht mit dem Versprechen in den Wahlkampf, Unternehmen bei der Steuerlast zu entlasten. Wie das genau finanziert werden soll, ist unklar. CSU-Chef Markus Söder kündigte am Montag einen «Kassensturz» nach der Wahl an. Das Vertrauen in Scholz habe gelitten. Erst danach könne man entscheiden, welche Pläne aus dem Programm wann und wie umgesetzt werden.
Der Unions-Chefhaushälter im Bundestag, Eckhardt Rehberg, sagte, insbesondere die weiter steigenden Zuschüsse an die Sozialversicherungen und die Transfers an Länder und Kommunen müssten eingedämmt werden. Der Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler sagte, Deutschland müsse viel mehr in die Zukunft investieren, vor allem in den Klimaschutz.
Die finanziellen Spielräume sind aber beschränkt, sollte es zu keiner Reform der Schuldenbremse kommen - oder es tut sich etwas auf der Einnahmen- und Ausgabenseite, sprich: Steuererhöhungen oder Kürzungen. Dazu kommt, dass es laut Regierungsentwurf für das Jahr 2025 einen «Handlungsbedarf» von 6,2 Milliarden Euro gibt - man könnte auch von einem «Haushaltsloch» sprechen. Immerhin wurde dieses gegenüber den Eckwerten um zwei Drittel verringert, wie es im Finanzministerium hiess. Ein Grund dafür sei auch, dass die jüngste Steuerschätzung nicht so schlecht gewesen sei wie befürchtet. Die Haushaltslage könnte dennoch angespannt werden in den kommenden Jahren. Denn ab 2023 sollen die in der Corona-Krise neu aufgenommen Schulden getilgt werden - Kosten: rund 2 Milliarden Euro jährlich.