Debatte um Corona-Strategie: Härtere Massnahmen möglich
Die Corona-Lage will sich einfach nicht entspannen. In manchen Regionen Deutschlands gehen die Infektionszahlen sogar kräftig nach oben. Gerade dort stellt sich die Frage, ob die bisherigen Einschränkungen ausreichen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Zahl der Corona-Infektionen in Deutschland verharrt auf hohem Niveau und befeuert damit die Debatte um die richtige Strategie zur Pandemie-Bekämpfung.
So warb Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag für schärfere Beschränkungen in besonders betroffenen Regionen: «Da, wo es hohe Infektionszahlen gibt in Deutschland, braucht es aus meiner Sicht unbedingt zusätzliche einschränkende Massnahmen zur Kontaktreduzierung», sagte er im ZDF-«Morgenmagazin».
Zuvor hatte das Robert Koch-Institut (RKI) bundesweit 23.449 neue Corona-Infektionen binnen 24 Stunden registriert - über 600 mehr als vor einer Woche. 432 Todesfälle innerhalb eines Tages bedeuten den dritthöchsten Stand seit Beginn der Pandemie. Die Zahl der Corona-Patienten auf deutschen Intensivstationen überschritt am Freitag erstmals die Schwelle von 4000.
Vor diesem Hintergrund wachsen die Zweifel an der geplanten Lockerung der Kontaktbeschränkungen zu Weihnachten. Bund und Länder hatten in der vergangenen Woche grundsätzlich vereinbart, bei Familientreffen vom 23. Dezember bis 1. Januar zehn Personen plus Kinder bis 14 Jahren zuzulassen. Einige Bundesländer kündigten aber schon an, auf diese Lockerung zu verzichten oder zumindest den Zeitraum dafür zu verkürzen.
Regierungssprecher Steffen Seibert machte klar, dass die Bundesregierung an der Vereinbarung nicht rütteln möchte. Allerdings seien die Sonderregeln für die Feiertage keine Aufforderung, die Obergrenzen komplett auszuschöpfen. Jeder müsse sich überlegen: «Wie verhindern wir, dass aus einem Familienfest, aus einem Weihnachtsfest eine Infektionsquelle wird?»
Der Virologe Alexander Kekulé hält die zuletzt beschlossene Verlängerung des Teil-Lockdowns für nicht sinnvoll. Massnahmen wirkten am stärksten, wenn sie gerade beschlossen würden, sagte Kekulé im Podcast von MDR-Aktuell. Durch das Aufrechterhalten der gleichen Massnahmen bekomme man in der Regel keine stärkere Bremsung hin. Statt einer Verlängerung bis 10. Januar hätte es für Kekulé zwei Optionen gegeben: entweder ein Abwarten bis kurz nach Silvester oder ein sofortiges Nachjustieren. «Dann muss man aber jetzt schärfere Massnahmen ergreifen und nicht bis 11. Januar warten.»
Für den Fall weiter steigender Infektionszahlen ist ein weiterer Corona-Gipfel von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten in diesem Jahr nicht ganz ausgeschlossen. Seibert verwies darauf, dass eigentlich erst am 4. Januar über das weitere Vorgehen beraten werden soll, betonte allerdings auch: «Ganz grundsätzlich ist es natürlich immer möglich, dass auch kurzfristig Bund-Länder-Konferenzen einberufen werden.»
Für Aufregung sorgte das Eingeständnis des Pharmakonzerns Pfizer, das Auslieferungsziel beim Corona-Impfstoff in diesem Jahr halbieren zu müssen. Spahn sagte, auch Deutschland müsse deshalb in den ersten Wochen mit einer geringeren Zahl an Impfdosen rechnen. «Gleichwohl wird es - Stand heute - wenn die Zulassung erfolgt, mit dem Jahreswechsel erste Impfungen in Deutschland geben können», betonte der Gesundheitsminister.
Ein Ministeriumssprecher versicherte zudem, niemand werde für eine Corona-Impfung bezahlen müssen: «Die Impfung wird kostenlos sein, egal ob und wie jemand versichert ist.» Seibert wiederholte noch einmal, dass die Impfung freiwillig sein werde. Man hoffe, sehr viele Menschen überzeugen zu können. Pläne für einen finanziellen Anreiz gebe es allerdings nicht.
Um trotz Kontaktbeschränkungen zu verhindern, dass die Bewohner von Pflegeheimen vereinsamen, gibt es einen neuen Ratgeber für die betroffenen Einrichtungen. Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, stellte die elfseitige «Handreichung» vor, in der es unter anderem um Schnelltests, Schutzmasken und Ausnahmeregelungen geht. Für Heimbewohner sei der persönliche Kontakt mit Angehörigen «unverzichtbarer Teil ihres Lebens» und dürfe nicht in Frage gestellt werden, erklärte Westerfellhaus.
Österreich setzt seit Freitag auf Massentests zur Eindämmung der Pandemie, was in Deutschland jedoch auf Skepsis stösst. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums erklärte, die RKI-Strategie sehe vor, dass man gezielt teste und nicht in der Fläche. Massentests hätten wenig Aussagekraft. Unterstützt wird diese Haltung von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. «Massentests sind Strohfeuer», sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch. Für den Infektionsschutz der Bevölkerung seien sie unbrauchbar, gleichzeitig werde für diesen politischen Aktionismus «viel Geld verbrannt».