Coronavirus: Experten sehen Johnsons Öffnungs-Euphorie kritisch
Boris Johnson will bis zum 21. Juni alle Lockdown-Regeln wegen des Coronavirus lockern. Die Briten verfallen in Euphorie. Experten warnen vor dem Vorpreschen.
Das Wichtigste in Kürze
- Grossbritannien hat schon über 20 Millionen Bürger geimpft.
- Bald sollen alle Schulen in England auf einmal geöffnet werden.
- Experten sehen Johnsons Öffnungs-Euphorie kritisch.
Am 21. Juni soll in Grossbritannien wieder alles normal sein. Das hat Premierminister Boris Johnson seiner Bevölkerung versprochen. Wie bitte?
Genau, dank der jüngsten Impf-Erfolge sind auf der Insel bereits über 20 Millionen Briten geimpft. Dies berichtete die Regierung Anfang Woche. Täglich werden an guten Tagen bis zu einer halben Million Impfdosen gegen das Coronavirus verimpft.
Das bringt Johnson, und mit ihm die ganze britische Bevölkerung, in Ekstase. Wegen des Impf-Erfolgs und der aktuell sinkenden Corona-Zahlen hat der Premier Ende Februar einen «Fahrplan» aus dem Lockdown vorgestellt. Bis zum 21. Juni sollen sämtliche Restriktionen im Lande wegfallen.
Zwar könne es auch Verzögerungen geben, er selbst geht aber davon aus, dass der Prozess «unumkehrbar» sei.
Buchungsansturm bei Reiseveranstaltern und Festivals
Bei Reiseveranstaltern, Fluggesellschaften und Ferienorten hat dies zu einem Buchungsansturm geführt. Dies schreibt der «Tages-Anzeiger». Aber auch Englands grosse Sommer-Festivals waren innert wenigen Tagen praktisch ausverkauft.
Johnson bietet der Uefa nun auch an, sämtliche 51 EM-Spiele in diesem Sommer in Grossbritannien auszutragen. Zuletzt hatte die Uefa mitgeteilt, sie wolle trotz Verschiebung am Modell mit zwölf Stadien in zwölf Ländern festhalten. Dies dürfte aber zunehmend unrealistisch werden.
«Für jedes weitere Match, für das sie einen Gastgeber suchen, wären wir bereit», sagte Johnson am Montagabend der «Sun».
Schulen in England öffnen alle auf einmal
Bereits am 8. März sollen nun im grössten Landesteil alle Schulen auf einmal öffnen. Weitere Öffnungsschritte folgen am 29. März, etwa Sporteinrichtungen im Freien.
Ab dem 12. April dürfen dann auch wieder Pubs und Restaurants öffnen, aber vorerst nur in Aussenbereichen. Und ab dem 17. Mai sollen sich wieder bis zu 30 Personen für Veranstaltungen treffen.
Wie so oft, scheint Premier Johnson mit der grossen Kelle anzurühren. Und es scheint auch fast, als wolle er mit der EM-Ankündigung den Kontinentaleuropäern nach dem Brexit eins auswischen. Anders als auf der Insel läuft es auf dem Festland in Sachen Impfung eher harzig.
Nur Impfen gegen Coronavirus reiche nicht aus
Doch insbesondere aus Experten- und Fachkreisen im eigenen Land gibt es auch mahnende Finger. «Eine gefährliche Strategie», findet etwa Verhaltensforscher Stephen Reicher. Die Regierung habe nun Erwartungen geschürt, an denen sich nur sehr schwer wieder etwas ändern lasse.
Der Regierung würde aber noch immer eine Langzeitstrategie gegen das Coronavirus fehlen. Das Test- und Tracing-System müsste verbessert, die Quarantäne effizienter und die Sicherheitsstandards vertieft werden, fordert Reicher. Impfen allein, so hilfreich sie sei, reiche da unter den gegebenen Umständen nicht aus.
Und Jonathan Van-Tam, ärztlicher Topberater der Regierung warnte, «Diese Schlacht ist noch nicht gewonnen.» Es sei noch zu früh, den Fuss von der Bremse zu nehmen: «Riskieren wir hier bloss nichts!»
Die Zahlen des Coronavirus zeigen zwar landesweit nach unten, doch trotzdem ist Vorsicht geboten. So ist in jedem fünften Bezirk in England die Zahl der Fälle wieder am Steigen. Dies bestätigt das Gesundheitsministerium.