Darum ist Moria seit Jahren der Flüchtlingshotspot
Das Flüchtlingslager Moria auf Lesbos sorgt nach dem verheerenden Brand nicht zum ersten Mal für Schlagzeilen: Die Situation ist bereits seit Jahren prekär.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos ist fast komplett abgrebrannt.
- Seit Jahren sorgt das Camp für Geflüchtete für Negativschlagzeilen.
- Die Umstände im Lager waren prekär – das Coronavirus verschärfte die Lage.
3000 Bewohner – dafür war das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos eigentlich ausgelegt. Doch innert kürzester Zeit war das Lager, welches Asylsuchende und andere Geflüchtete aufnimmt, dramatisch überbelegt. Im Frühjahr lebten zeitweise knapp 24'000 Menschen im Lager.
Seit den Bränden in der Nacht auf Mittwoch ist das Lager nicht mehr bewohnbar – für alle Bewohner. 12'000 Menschen sind auf einen Schlag obdachlos geworden. Doch Moria rückt nicht zum ersten Mal in den Fokus der Öffentlichkeit: Das Flüchtlingslager hat bereits eine lange Geschichte mit vielen dunklen Kapiteln.
Wieso ausgerechnet Lesbos?
Dass das grösste Flüchtlingslager Europas auf Lesbos liegt, ist kein Zufall: Die griechische Insel ist nicht einmal zehn Kilometer von der türkischen Küste entfernt. Damit ist die Insel ein idealer Anlaufpunkt für Flüchtende, die über die Türkei in die EU gelangen wollen.
Ursprünglich wurden die Geflüchteten in Moria lediglich registriert und dann aufs griechische Festland gebracht. Dass das Lager seine eigentliche Kapazität um ein Vielfaches übertrifft, liegt am Flüchtlingsdeal zwischen der EU und der Türkei. In diesem ist festgehalten, dass die Migranten, sollte ihr Asylantrag abgewiesen werden, direkt von den Inseln wieder ausgeschafft werden.
Aus dem Durchgangszentrum wurde ein Verweilzentrum: Die Bearbeitung der Asylanträge dauert oft Monate bis Jahre. Dass sich die Geflüchteten derart lange in Moria aufhalten, war nie geplant.
Prekäre Umstände seit Jahren
Immer wieder berichteten Medien von den prekären Umständen in Moria. «WDR»-Korrespondentin Isabel Schayani zeigte sich nach mehreren Aufenthalten im Flüchtlingslager im Frühjahr sichtlich schockiert. «Wenn man da ist, vergisst man, dass man in Europa ist. Die Menschen teilen sich zum Teil mit 200 Leuten eine Toilette – wobei Toilette mit Verlaub beschönigend ist.»
Wasser habe es nur zu bestimmten Tageszeiten gegeben. Viele Geflüchtete könnten sich – selbst in Corona-Zeiten – keine Seife leisten, so die Auslandskorrespondentin im Video der «Tagesschau».
Die bestehende Infrastruktur hat zu keinem Zeitpunkt für die Zeltstadt gereicht. Dicht an dicht reihten sich die Zelte und provisorischen Bauten – vernünftige Corona-Schutzkonzepte waren angesichts dessen zu keinem Zeitpunkt möglich. Da das Lager nie für den Langzeitaufenthalt ausgelegt war, fehlte es bis zuletzt an Schulen und Arbeitsstellen für die Bewohner.
Brände, Gewalt und Kriminalität
Auch zu Bränden kam es in Moria immer wieder. Im März starb ein sechsjähriges Mädchen bei einem Brand. Damals waren die Behörden von einem Unfall ausgegangen: Viele Menschen kochen in Zelten auf dem offenen Feuer.
Perspektivlosigkeit, Enge, mangelnde Beschäftigung und die prekäre Wohnsituation haben in Moria zu schweren Problemen geführt. «Es wirkt, als habe der Staat den Ordnungsanspruch aufgegeben», urteilt der deutsche Politiker Konstantin Kuhle gegenüber der «Welt»: «Besonders nachts sind kriminelle Banden unterwegs, es kommt zu Gewalt.»
Coronavirus als indirekter Auslöser der Brände?
Der weltweite Ausbruch des Coronavirus bereitete den Bewohnern des Flüchtlingslagers grosse Sorgen.
Im April wandten sich die Bewohner in einem Appell an europäische Öffentlichkeit: «Wie sollen wir Abstand halten, wenn Tausende jeden Tag auf Nahrung warten müssen? Wie sollen wir unsere Hände waschen, wenn kein Wasser zur Verfügung ist? Wie können wir Kranke isolieren, wenn dafür kein Platz ist?»
Lange Zeit blieb das Lager von Infektionen verschont. In den vergangenen Tagen wurden jedoch insgesamt 35 Bewohner des Flüchtlingscamps positiv getestet. Derzeit geht die griechische Regierung von Brandstiftung aus. Möglicherweise haben Bewohner, welche sich unter den vorherrschenden Hygienebedingungen nicht mit den Infizierten ein Lager teilen wollten, die Brände gelegt.