Deutsche Innenminister wollen härtere Strafen prüfen

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Deutschland,

Hass und Hetze nehmen im Wahljahr zu. Die deutschen Innenminister von Bund und Länder wollen gegensteuern und legen Vorschläge vor.

Nancy Faeser
Die deutsche Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und die Innenministerkonferenz der Länder forderten bei einer Videokonferenz ein Ende von Gewalt und Hetze. - Georg Wendt/dpa

Zum besseren Schutz von Politikern und ehrenamtlichen Wahlkämpfern gegen Angriffe setzen die deutschen Innenminister von Bund und Ländern neben der Polizei auf die Prüfung eines schärferen Strafrechts. Deutschlands Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und die Innenministerkonferenz der Länder forderten bei einer Videokonferenz ein Ende von Gewalt und Hetze.

Die Schalte war nach einem brutalen Angriff auf den SPD-Politiker Matthias Ecke in Dresden anberaumt worden. Faeser bezeichnete den Übergriff auf Ecke in den ARD-«Tagesthemen» als Zäsur. «Wir haben heute entschieden in der Innenministerkonferenz, dass es Strafverschärfungen geben soll», sagte die SPD-Politikerin. Sie werde sich dafür bei Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) einsetzen.

Zugleich sagte Faeser, dass die Verschärfung des Strafrechts nur eine Massnahme sei. Es brauche unter anderem schnellere Verfahren der Justiz, um Tätern schnell Grenzen aufzuzeigen. Wichtig sei auch, dass alle Straftaten angezeigt und konsequent verfolgt würden. Sie verwies auf die nächste Sitzung der Innenministerkonferenz, bei der das Thema noch einmal vertieft werden müsse.

Übergriffe häufen sich

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU), sagte, die erneuten Übergriffe stünden für eine Entwicklung, in der Menschen mit Gewalt, Hass und Hetze politische Ziele durchsetzen wollten. «Lüge, Gewalt und Bedrohung drohen immer stärker Teil des politischen Diskurses zu werden. Das gefährdet unsere Demokratie.»

Die Ressortchefs unterstützten nach seinen Angaben zwei Bundesratsinitiativen aus Bayern und Sachsen. Die sächsische Initiative, die das Landeskabinett gestern beschloss, sieht eine Strafverschärfung bei Angriffen auf Politiker und Wahlhelfer vor.

Damit sollen Entscheidungsträger gerade auf kommunaler Ebene vor Übergriffen auf ihr Privatleben geschützt werden. Die Innenminister fordern zudem das Bundesinnenministerium auf, sich für eine zügige Behandlung einer Initiative Bayerns zum strafrechtlichen Schutz gemeinnütziger Tätigkeit einzusetzen. Damit sollen Übergriffe auf politisch engagierte Menschen stärker bestraft werden.

Im Beschluss fordern die Ministerinnen und Minister die Justizministerkonferenz zur Prüfung auf, ob «die bewusste Verbreitung von Desinformation mit dem Ziel der Wahlbeeinflussung oder Gewalteskalation strafwürdiges Unrecht darstellen».

Auslöser war Attacke auf SPD-Kandidaten in Dresden

Die Ressortchefs verurteilten «jegliche Angriffe auf politisch engagierte Menschen, die sich für eine gelebte Demokratie in Deutschland einsetzen und dafür höchste Anerkennung, Respekt und Schutz verdienen, auf das Schärfste», wie es im Beschluss heisst. Matthias Ecke, der SPD-Spitzenkandidat für die Europawahl in Sachsen, war am Freitag von vier jungen Männern im Alter von 17 und 18 Jahren zusammengeschlagen worden, als er Wahlplakate anbringen wollte.

Das Landeskriminalamt (LKA) Sachsen rechnet zumindest einen der Angreifer dem rechten Spektrum zu. Kurz vor der Prügel-Attacke auf Ecke hatte laut Polizei mutmasslich dieselbe Gruppe in der Nähe einen Grünen-Wahlkampfhelfer verletzt.

Grünen-Politikerin in Dresden attackiert

Gestern meldete die Polizei einen weiteren Übergriff in Dresden: Zwei Personen attackierten eine Grünen-Politikerin, als diese Wahlplakate aufhing. Polizisten stellten kurz darauf eine 24-Jährige und einen 34-Jährigen als Tatverdächtige, wie die Polizeidirektion Dresden am Dienstagabend mitteilte. Wer die Angegriffene ist, wollte ein Sprecher zunächst nicht sagen.

Der Mann habe die Politikerin beiseite gestossen, sie beleidigt und bedroht, die Frau habe sie Politikerin angespuckt. Weil die beiden zuvor bei einer Gruppe gestanden haben sollen, aus der heraus der Hitlergruss gezeigt worden sein soll, werde ausserdem wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gegen sie ermittelt. Beide Verdächtige blieben auf freiem Fuss, wie der Polizeisprecher sagte.

Innenminister Schuster: «Da wird Angst verbreitet»

Sachsens Innenminister Armin Schuster sagte im ZDF-«Heute Journal», es gebe immer häufiger Bedrohungen gegen kommunale Amts- und Mandatsträger. «Da wird Angst verbreitet und da wird auf diese Menschen Einfluss genommen.» Wenn bei dieser Verrohung nicht eingegriffen werde, könnten Angriffe wie in Dresden die Folge sein.

Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) sprach von einem starken und geschlossenen Signal gegen eine Verrohung, Hass und Hetze. «Ich halte es daher für konsequent, Angriffe, die sich auch gegen unsere demokratischen Grundwerte richten, schärfer zu ahnden und die den Taten zugrunde liegende verwerfliche Gesinnung in das Strafmass einzubeziehen», sagte Poseck.

Statistik zeigt mehr Straftaten gegen Abgeordnete

Im Jahr 2023 gab es laut Faeser 2710 Straftaten gegen Mandatsträger, 53 Prozent mehr als im Vorjahr. Sie betonte: «Auch Angriffe gegen AfD-Politiker sind nicht hinnehmbar.» Sie sprach von einer «Eskalation antidemokratischer Gewalt». Die Spirale von Hass und Gewalt müsse gestoppt werden.

Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) rief Bürgerinnen und Bürger auf, der Polizei Hinweise zu geben, auch auf die Zerstörung von Wahlplakaten. Die Verschärfung von Gesetzen habe zwar nicht den Schwerpunkt der Beratungen gebildet, es könne aber sein, «dass wir auch das gesetzliche Schutzniveau noch einmal betrachten».

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ermunterte Betroffene, sich frühzeitig an die Polizei zu wenden. Er sagte, niemand müsse sich Beleidigungen und Bedrohungen gefallen lassen. Laut Herrmann haben die Ressortchefs vereinbart, bei der Innenministerkonferenz im Juni darüber zu sprechen, ob es zusätzlicher Anstrengungen bedarf, um den Schutz aller Beteiligten rund um die anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im Herbst zu gewährleisten.

Kommentare

User #1022 (nicht angemeldet)

Der brutale Angriff auf den sächsischen SPD-Politiker Matthias Ecke hat eine große Debatte über Gewalt gegen Politiker ausgelöst – der Fall zeigt aber auch, dass sich der politische Mainstream sehr genau aussucht, welche Angriffe Anteilnahmen auslösen und welche nicht. Entscheidend scheint, wer Opfer und wer Täter ist und ob die Konstellation ins politische Konzept passt. Von der oben beschriebenen These stimmt wenig bis gar nichts: Nicht die Grünen, sondern Politiker der AfD sind mit Abstand am häufigsten Opfer gewalttätiger Angriffe – zudem kommen die Angreifer mehr als doppelt so oft aus dem linken Spektrum als aus dem rechten. Im neuen NIUS-Format „RealTalk“ stellt unser Reporter Julius Böhm die einfachste journalistische Frage, die es gibt: Stimmt das überhaupt, was uns erzählt wird? Beim Thema „Gewalt gegen Politiker“ ist die Antwort recht eindeutig: Nein.

User #5925 (nicht angemeldet)

Gewalt ist nicht zu tolerieren. Wenns gegen den Normalbürger geht, sind es immer Einzelfälle die man beobachten muss. Wenns gegen Politiker geht scheinen jene Fälle plötzlich härter angegangen zu werden? Wie verlogen sind doch einige in der Politik

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