«Dürftig», «Witz»: Gemischte Reaktionen auf Klima-Beschlüsse
Es gibt mehr Geld für Entwicklungsländer, doch sie leiden auch am stärksten unter der Klimakrise. Die in Baku beschlossenen Summen reichen ihnen deshalb nicht.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Entwicklungsländer kritisieren die Aufstockung der Klimagelder als «Witz».
- Die Industriestaaten hingegen verteidigen den Beschluss zur Aufstockung der Klimahilfen.
- Die Schweizer Delegation zeigt sich mit der Entscheidung zufrieden.
Nach dem Kompromiss auf der Weltklimakonferenz im Streit über Klimahilfen in Billionenhöhe haben mehrere Länder im Plenum ihrer Empörung und Wut freien Lauf gelassen. Die Vertreterin Nigerias bezeichnete die 300 Milliarden US-Dollar (aktuell rund 288 Milliarden Euro), die vor allem Industriestaaten jährlich bis 2035 aufbringen sollen, als «Witz» und «Beleidigung». Indiens Vertreterin protestierte, man könne mit dem Beschluss absolut nicht einverstanden sein, weil die Zusagen viel zu gering seien. «Wir können das nicht akzeptieren.»
Die indische Delegation warf dem Präsidenten der COP29, Muchtar Babajew, vor, ihre Wortmeldung gegen den Beschluss ignoriert zu haben. Die in dem Beschluss genannte Summe sei «abgründig klein» und «dürftig». «Indien widerspricht der Annahme dieses Dokuments», sagte die Sprecherin der Delegation. Auch Vertreter Kubas und weiterer Entwicklungsländer kritisierten den Beschluss scharf.
De facto hat die Kritik aber keine Auswirkungen mehr, der Beschluss gilt. Die Äusserungen werden eher als Notiz zu Protokoll gegeben. Der aserbaidschanische Gipfelausrichter hatte den entscheidenden Text zuvor schnell mit dem üblichen Hammerschlag besiegelt. Etliche Staaten fühlten sich übergangen und beklagten, Wortmeldungen seien ignoriert worden.
Ein Vertreter Boliviens beklagte, die Entwicklungsstaaten würden mit ihrem Leid in der Klimakrise allein gelassen. Es breche eine Ära an, in der jeder nur seine eigene Haut retten wolle. Die Industriestaaten hätten eine historische Verantwortung für die Erderwärmung. Klimahilfen seien daher keine Wohltaten, «sondern eine rechtliche Verpflichtung».
Industriestaaten verteidigen den Beschluss
Während die ärmeren Länder am Beschluss Kritik übten, klopften sich die Industriestaaten gegenseitig auf die Schultern. US-Präsident Joe Biden bezeichnete die Aufstockung als «historisch». Bezogen auf die Amtsübernahme seines designierten Nachfolgers Donald Trump, erklärte er einen klimapolitischen Rückfall in alte Zeiten für aussichtslos.
Auch EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra verteidigte den Beschluss. Es breche eine «neue Ära in der Klimafinanzierung an» und die EU werde weiterhin eine Führungsrolle übernehmen, versprach der Niederländer. Die neuen Ziele seien ehrgeizig, aber auch realistisch.
Lob gab es auch von UN-Generalsekretär António Guterres – er forderte aber auch ein, dass das Geld nun schnell fliessen müsse. Die Versprechen gehörten «vollständig und fristgerecht» eingelöst, verlangte er. «Zusagen müssen schnell zu Bargeld werden.» Denn viele überschuldete Entwicklungsländer, die von Katastrophen getroffen werden und bei der Revolution erneuerbarer Energien auf der Strecke bleiben, bräuchten dringend Geld.
Schweizer Delegation zufrieden – Kritik von WWF Schweiz
Zufrieden mit der Einigung der Weltklimakonferenz in Aserbaidschan zur Aufstockung der Klimahilfe ist auch die Schweizer Vertretung. Der Leiter der Schweizer Delegation sprach im Anschluss von einem erfolgreichen Abschluss. Teils war er aber auch enttäuscht.
Die 300 Milliarden und damit die Verdreifachung der bisherigen Beträge seien zu erreichen, sagte Umweltbotschafter Felix Wertli im Anschluss telefonisch zur Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Die Schweiz wird – wie alle anderen Staaten – mit dem Beschluss der Uno-Klimakonferenz (COP29) nicht konkret zu Zahlungen verpflichtet.
Der Bundesrat werde 2025 einen Bericht verabschieden, in dem ein «fairer» Beitrag der Schweiz festgelegt werden soll, sagte Wertli. Er betonte, dass es nicht nur darum gehe, direkt mehr Geld zu bezahlen. Es gehe auch darum, Gelder zu mobilisieren.
Hinsichtlich dem Thema der Emissionsreduktion von Treibhausgasen zeigte sich der Delegationsverantwortliche enttäuscht. Auch hätte sich die Schweizer Delegation von der Konferenz eine stärkere Botschaft zum Bekenntnis zum 1,5-Grad-Klimaziel gewünscht, wie Wertli sagte.
Die Umweltorganisation WWF Schweiz kritisierte die Einigung auf jährlich 300 Milliarden Dollar als «völlig unzureichend». Die Schweiz hätte im Vorfeld über einen fairen Anteil am neuen Finanzziel diskutieren müssen, teilte die Organisation mit. Auch beim geplanten Ausstieg aus den fossilen Energien seien kaum Fortschritte erzielt worden. Die Schweiz habe sich für einen klaren Fahrplan eingesetzt, sei aber vor allem von den Gas- und Ölstaaten ausgebremst worden.