EM-Frist für München, Maximal-Drohung um Königsklasse
Das Wichtigste in Kürze
- Noch keine schallende EM-Watschn für München, aber historisch harte Drohungen im eskalierenden Machtkampf um die Königsklasse.
Und die können auch Joachim Löww nicht kalt lassen.
Angesichts der revolutionären Pläne für eine Super League hat die Uefa den zwölf abtrünnigen Topclubs wie deren Spielern harte Sanktionen angedroht. Sogar eine EM-Sperre für mehrere deutsche Fussball-Nationalspieler um Toni Kroos, Ilkay Gündogan oder Timo Werner steht nach den ungewöhnlich scharfen Worten von Uefa-Präsident Aleksander Ceferin als maximal denkbare Drohkulisse im Raum.
«Die Spieler, die in diesen Teams spielen, die vielleicht in einer geschlossenen Liga spielen, werden von der Weltmeisterschaft und Europameisterschaft ausgeschlossen», sagte Ceferin am Montag nach der denkwürdigen Sitzung des Uefa-Exekutivkomitee am Montag in Montreux. Nur den Zeitpunkt dieses Bannstrahls für Akteure von Clubs wie Real Madrid, Manchester City oder dem FC Chelsea liess der Slowene offen. Im Extremfall würde er schon diesen Sommer gelten. Am Ufer des Genfer Sees beschloss der Kontinentalverband seine ebenfalls hochumstrittene Reform der Champions League. Die Sprechweise lautet dabei: Wer nicht nach unseren Regeln mitspielt, fliegt raus.
Diese rigide Ceferin-Politik könnte am Freitag auch München noch treffen. Im harten Ringen um den deutschen Spielort für die Europameisterschaft im Sommer bekommt die bayerische Landeshauptstadt eine letzte Fristverlängerung. Bis zum Freitag können der Deutsche Fussball-Bund und die Münchner Politik noch Nachbesserungen für ein trotz steigender Corona-Zahlen unverändert gefordertes Zuschauerkonzept vorlegen.
Reichen diese nicht, droht weiter der EM-Entzug für die Allianz Arena und die Verlegung der drei deutschen Heimspiele gegen Frankreich (15. Juni), Portugal (19. Juni) und Ungarn (23. Juni) wie des Viertelfinals möglicherweise nach London. Joachim Löww würde bei seinem Abschied als Bundestrainer der Heimvorteil genommen werden.
«Wir müssen ein paar Dinge regeln», sagte Ceferin. Unklar ist damit auch noch der EM-Status von Bilbao und Dublin, die wie München, aber im Gegensatz zu Amsterdam, Kopenhagen, Baku, St. Petersburg, Bukarest, Budapest, Glasgow, London und zuletzt Rom sich dem Uefa-Diktat noch nicht gebeugt hatten.
Grosser Konfliktherd war aber nicht die EM, sondern das für die Uefa noch wichtigere Milliarden-Projekt Champions League. Die Gefährdung dieser Glitzerwelt durch die Super-League-Ambitionen liess Ceferin zur grössten Verbaloffensive seiner gut vier Jahre als Uefa-Chef ansetzen.
«Wir stehen alle gemeinsam gegen dieses Nonsens-Projekt. Alle 55 Verbände sind gegen die zynischen Pläne», sagte Ceferin und griff die abtrünnigen Clubs scharf an. «Solidarität ist etwas, das für immer steht. Für manche ist Solidarität, Einheit etwas, was nicht existiert. Das einzige, was für sie zählt, ist ihre eigene Tasche.» Er wolle die Vereine nicht «dreckiges Dutzend» nennen - und implizierte mit seinen anderen Worten doch genau das.
Trotz der angekündigten Abspaltung durch den FC Liverpool, Manchester City, Manchester United, FC Chelsea, FC Arsenal, Tottenham Hotspur, FC Barcelona, Real Madrid, Atlético Madrid sowie Inter Mailand, AC Mailand und Juventus Turin beschloss das Uefa-Exekutivkomitee die bei Fans umstrittene Reform der Champions League. Ab der Saison 2024/25 werden 36 statt bislang 32 Teams an der Gruppenphase teilnehmen, zudem wird es insgesamt 100 weitere Spiele geben.
Der Beschluss wurde allerdings durch die Pläne der Spitzenvereine für eine unabhängige, internationale Liga überschattet - deutsche Clubs gehören derzeit nicht dazu. Dem Dutzend reichen die zu erwartenden Einnahmen aus der Uefa-Reform nicht, zudem fehlt ihnen die Sicherheit, auf jeden Fall international dabei zu sein. Die Drohgebärde einer Super League wurde vom europäischen Fussball-Geldadel immer wieder aufgebaut - nun ist das Szenario so nah und konkret wie nie zuvor.
Die neue Liga soll jeweils in der Wochenmitte spielen und steht damit in direkter Konkurrenz zur Königsklasse der Uefa. Deutliche Kritik kam von Fans und etlichen nationale Ligen, Verbänden und Vereinen. «Eine geschlossene Gesellschaft ist ein Verbrechen am Fussball», sagte Bayer Leverkusens Sportchef Rudi Völler der «Bild» und «Sport Bild» und kritisierte vor allem den von Jürgen Kloppp trainierten FC Liverpool: «Für einen Club, bei dem die Fans "You’ll never walk alone" singen, ist das beschämend.»
Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke verwies darauf, dass die Mitglieder der Europäischen Club-Vereinigung ECA diese Pläne abgelehnt hätten. Der BVB und der FC Bayern Münchenn würden dabei die gleiche Auffassung vertreten. Der Beschluss der ECA besage, «dass die Klubs die geplante Reform der Uefa Champions League umsetzen wollen», sagte Watzke.
Dabei sollen in der Königsklasse zwei der vier neuen Plätze nicht mehr wie bislang üblich aufgrund von Leistungen aus der vorigen Saison vergeben werden. Stattdessen wären dafür die Platzierungen der Vereine in der Fünfjahreswertung der Uefa ausschlaggebend. Auch dies war bereits vor allem von Fanvertretungen stark als Tabubruch kritisiert worden. Stimmberechtigt als Exko-Mitglied war am Montag auch Rainer Koch, Vizepräsident des Deutschen Fussball-Bunds.
In der Champions League soll damit ab 2024 nicht mehr wie gewohnt in acht Vorrundengruppen gespielt werden. Anstelle dessen soll es eine Liga geben, in der aber nicht Jeder gegen Jeden antritt. Dabei würde jedes Team zehn statt bislang sechs Vorrundenspiele bestreiten. Dabei ist die Verteilung der Gelder nach der Reform der Champions League weiter offen - und nun auch massgeblicher Treiber für die Super-League-Pläne.
Finanziert werden soll die neue Liga massgeblich von der US-Grossbank JP Morgan. Das bestätigte das Unternehmen am Montag auf Anfrage. Für die Gründungsvereine sollen zunächst 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Dies würde die Einnahmen aus der bisherigen Champions League deutlich übersteigen. In einigen Ländern hat der offene Streit bereits eine politische Ebene erreicht. «Schädlich» nannte der britische Premierminister Boris Johnson die Pläne.