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Empörung über Angriff auf SPD-Politiker: 17-Jähriger stellt sich

Keystone-SDA
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Deutschland,

Der Angriff auf den Dresdner Politiker Matthias Ecke hat in der Bundesrepublik Wellen geschlagen. Tausende Menschen gingen für die Demokratie auf die Strasse.

Nach dem Angriff auf den SPD-Europaabgeordneten Ecke
05.05.2024, Berlin: Nach dem Angriff auf den SPD-Europaabgeordneten Ecke findet vor dem Brandenburger Tor eine Solidaritätskundgebung statt. Der SPD-Europaabgeordnete Ecke war beim Plakatieren im Dresdner Stadtteil Striesen von Jugendlichen angegriffen und schwer verletzt worden. - keystone/Joerg Carstensen/dpa

Ein brutaler Angriff auf den Dresdner SPD-Europapolitiker Matthias Ecke hat deutschlandweit für Entsetzen gesorgt – und eine Debatte über die Eskalation von Gewalt im Wahlkampf ausgelöst. In Dresden und Berlin demonstrierten zahlreiche Menschen für Demokratie und gegen Gewalt.

Nach der Attacke in Dresden stellte sich ein 17-Jähriger der Polizei. Er habe in der Nacht zu Sonntag die Polizei aufgesucht und angegeben, der Täter zu sein, teilte das Landeskriminalamt (LKA) mit. Die Hintergründe der von vier jungen Männern am Freitagabend verübten Attacken auf Ecke und zuvor bereits auf einen Wahlkampfhelfer der Grünen waren am Wochenende noch unklar – die Ermittlungen dauerten an.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier appellierte an alle, die politische Auseinandersetzung friedlich und mit Respekt zu führen. Zwei Bündnisse hatten für Sonntagnachmittag zu Demonstrationen in Berlin und Dresden aufgerufen – das Motto: «Gewalt hat keinen Platz in unserer Demokratie!». In der sächsischen Landeshauptstadt kamen nach Angaben von Polizei und Veranstaltern rund 3000 Menschen zusammen, darunter etwa Bundestagsvizepräsidentin Katrin-Göring-Eckardt (Grüne) und die Bundesvorsitzende der SPD, Saskia Esken. In Berlin versammelten sich nach Angaben der Polizei rund 1000 Demonstranten am Brandenburger Tor. Darunter waren die Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour, SPD-Chef Lars Klingbeil sowie die Ministerpräsidenten von Sachsen und Nordrhein-Westfalen, Michael Kretschmer und Hendrik Wüst (beide CDU).

Unter dem Motto «Bis hierhin und nicht weiter» haben sich Politiker fast aller grossen Parteien gemeinsam gegen Gewalt in der politischen Auseinandersetzung gewandt und sich gegenseitigen Respekt zugesagt. Bis Sonntagnachmittag hatten weit mehr als 100 Abgeordnete diverser Parlamente die sogenannte Striesener Erklärung unterschrieben, darunter die Vorsitzenden von SPD, Grünen und Linken sowie Abgeordnete der Union. Die Erklärung wendet sich gegen «die immer weiter eskalierende Gewalt gegen politisch engagierte Menschen im öffentlichen Raum».

Bund und Länder wollen am Dienstag über mögliche Konsequenzen aus der Gewalt beraten. Das kündigte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Brandenburgs Ressortchef Michael Stübgen (CDU), an: «Ich werde meinen Länderkollegen den kommenden Dienstag als Termin für ein informelles Treffen auf Ebene der Innenministerkonferenz vorschlagen.»

SPD-Politiker liegt im Krankenhaus

Ecke ist sächsischer SPD-Spitzenkandidat für die Europawahl. Der 41-Jährige war am Freitagabend attackiert worden. Er habe einen Bruch des Jochbeins und der Augenhöhle sowie Hämatome im Gesicht erlitten, sagte Sachsens SPD-Chef Henning Homann am Sonntagnachmittag. Ecke sei am Sonntag operiert worden, es gehe ihm den Umständen entsprechend gut. Die SPD Sachsen geht davon aus, dass er seinen Wahlkampf fortsetzen wird. Das stehe aktuell aber nicht im Vordergrund stehe, hiess es.

Kurz vor dem Angriff auf Ecke hatte laut Polizei mutmasslich dieselbe Gruppe in der Nähe einen Wahlkampfhelfer der Grünen ebenfalls verletzt. Laut Polizeiangaben vom Samstag werden die vier Männer auf 17 bis 20 Jahre geschätzt – sie sollen dunkel gekleidet gewesen sein. Ein Zeuge habe sie dem rechten Spektrum zugeordnet.

Der 17-Jährige, der sich stellte, sei bisher nicht polizeilich in Erscheinung getreten, berichtete das LKA. Er sei nicht in Gewahrsam, da nicht davon auszugehen sei, dass er untertauche. Die drei anderen Tatverdächtigen sind weiter unbekannt.

Gewalt auch gegen Politiker anderer Parteien

Auch andere Parteien sind Ziel von Angriffen: Im niedersächsischen Nordhorn wurde am Samstagmorgen ein AfD-Landtagsabgeordneter nach Polizeiangaben an einem Infostand geschlagen. In Dresden attackierten zwei 23-jährige Frauen und ein 28-jähriger Mann am Samstag unvermittelt einen Informationsstand der Partei und beschädigten Aufsteller, Plakate und einen Tisch, wie die Polizei mitteilte. Der Betreiber des Stands wurde nicht verletzt. Die Polizei stellte die Tatverdächtigen nach Hinweisen von Zeugen.

Zudem beschädigte laut Polizei eine Gruppe von 20 Jugendlichen in der Nacht zu Sonntag in Dresden augenscheinlich wahllos 21 Wahlplakate der AfD, der FDP, der CDU und der Linken. Eine Zeugin rief die Polizei, die einen 17-Jährigen ertappte, als er in der Schandauer Strasse – wo Ecke und der Grünen-Helfer angriffen wurden – ein Plakat der Linken zerstörte.

Die Vorfälle reihen sich ein in eine bundesweite Folge von Angriffen auf Parteimitglieder vor den Kommunal- und Europawahlen am 9. Juni: Am Donnerstag waren in Essen der Bundestagsabgeordnete Kai Gehring (Grüne) und sein Parteikollege Rolf Fliss nach eigenen Angaben attackiert und Fliss geschlagen worden. Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckardt war vor einigen Tagen in Ostbrandenburg nach einer Veranstaltung aggressiv bedrängt und länger an der Abfahrt gehindert worden.

Grüne zunehmend im Visier von Angreifern

Die Zielgruppe der Angreifer hat sich zuletzt etwas verlagert: Waren noch 2019 vor allem Vertreter der AfD Ziel von Anfeindungen, so sind es nun die Grünen. Für die AfD wurden im vergangenen Jahr nach vorläufigen Zahlen bundesweit 478 Fälle aktenkundig, für die Grünen 1219. Für die SPD waren es 420, für andere Parteien weniger – insgesamt wurden 2790 solche Straftaten gemeldet, wie die Regierung auf eine AfD-Anfrage mitteilte.

Die Grünen fordern daher mehr Schutz im Wahlkampf. «Die Innenministerinnen und -minister müssen jetzt Konzepte zum bestmöglichen Schutz von Politikerinnen und Politkern und vor allem von ehrenamtlich engagierten Wahlkämpfenden vorlegen», sagte die Bundesgeschäftsführerin Emily Büning der Deutschen Presse-Agentur. Essenziell sei die Zusammenarbeit mit der Polizei und den Landeskriminalämtern. «Wie werden in unseren Kreisverbänden jetzt noch einmal die Empfehlung verstärken, dass jede Veranstaltung und jede Wahlkampfaktion den Sicherheitsbehörden vorab gemeldet werden sollte.»

Solidaritätsbekundungen für angegriffenen Politiker Ecke

Parteiübergreifend verurteilten Politiker Gewalt in der politischen Auseinandersetzung. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte: «Die Demokratie wird von so etwas bedroht, und deshalb ist achselzuckendes Hinnehmen niemals eine Option.» Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) erklärte zu den Attacken: «Sie sind der widerliche und unentschuldbare Ausfluss einer Verrohung von Sprache, Debatte und der Enthemmung in den sogenannten sozialen Medien.» Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) schrieb auf der Plattform X: «Gewalt ist kein legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung. Von niemandem. Gegen niemanden. Punkt.» Finanzminister Christian Lindner (FDP) mahnte auf X: «Die Enthemmung der politischen Auseinandersetzung betrifft uns alle. Jeder kann der nächste sein.»

CDU-Chef Friedrich Merz appellierte, «Wahlkämpfe mit dem gebotenen Respekt und vor allem ohne jede Aggression, vor allem ohne tätliche Gewalt auszuüben». Dies gelte unabhängig davon, welcher Partei die Wahlkämpfer angehörten, «meiner eigenen, der SPD, der Grünen, der FDP, wem auch immer».

Auch der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla, dessen Partei von einigen für eine Gewalt fördernde Atmosphäre verantwortlich gemacht wird, schrieb auf der Plattform X: «Physische Angriffe gegen Politiker aller Parteien verurteilen wir zutiefst. Wahlkämpfe müssen inhaltlich hart und konstruktiv, aber ohne Gewalt geführt werden.»

Forderung nach schärferen Strafen für die Angreifer

Der Präsident des Deutschen Städtetags, Markus Lewe, forderte schärfere Strafen. «Wir müssen politisch Engagierte besser schützen. Dabei könnte auch eine Strafrechtsverschärfung helfen, die Nachstellungen, Aufmärsche vor Wohnhäusern und Drohungen gegen die Familie von Politikerinnen und Politikern verfolgt», sagte er der «Rheinischen Post» (Montag).

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