Erdbeben: Warum nimmt Marokko die Schweizer Hilfe nicht an?
Das Erdbeben in Marokko forderte fast 3000 Tote und Schwerverletzte. Die Schweiz bietet mit einem Experten-Team humanitäre Hilfe. Doch Marokko schweigt.
Das Wichtigste in Kürze
- Rund 60 Länder boten Marokko humanitäre Hilfe an - bisher vergeblich.
- Auch die Schweiz stellt ein achtköpfiges Experten-Team zur Verfügung.
- Rabat zeigt sich bei der Hilfe wählerisch. Nur befreundete Länder kommen zum Zug.
Das Erdbeben in Marokko verursacht schreckliche Folgen. Knapp 3000 Tote, fast eben so viele Schwerverletzte. Massenweise Menschen bleiben vermisst.
Unermüdlich arbeiteten die Rettungskräfte vor Ort daran, weitere Überlebende zu finden. Mit blossen Händen bahnen sie sich durch Schutt- und Trümmer ohne Rücksicht unter den extremen Hitzebedingungen vor Ort. Doch vier Tage nach dem Erdbeben fängt die Hoffnung langsam an zu schwinden.
Deshalb stellte die Schweiz bereits am Sonntag ein achtköpfiges Experten-Team abrufbar, um vor Ort die Rettungskräfte unterstützen zu können. So soll Hilfe für Notunterkünfte, Wasseraufbereitung, sanitäre Einrichtungen und Rettungseinsätze geleistet werden. Das Team des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH) wäre also bereit, nach Marokko zu reisen.
Marokko nimmt nur Hilfe von befreundeten Ländern – Schweiz gehört offenbar nicht dazu
Doch wie das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) gegenüber Nau.ch erklärt, hat es immer noch keine Antwort auf sein Hilfsangebot erhalten. Die Schweiz ist nicht das einzige Land, das bisher vergebens auf eine Antwort des nordafrikanischen Landes wartet.
Sowohl Deutschland, Frankreich, Italien als auch die USA stellten umfangreiche Hilfsangebote zur Verfügung. Nahezu 60 Länder boten Rabat ihre Hilfe an. Nur eine Handvoll bekamen eine Zusage.
Dies sorgt für Spekulationen über mögliche politische Hintergründe. Ist das der Grund, warum Marokko zögert, westliche Hilfe anzunehmen?
Wie das Innenministerium Marokkos am Sonntag erklärte, werden sie bei Hilfsangeboten zunächst nur auf Unterstützung aus «befreundeten» Ländern setzen. Dazu zählen sie bislang Grossbritannien, Katar, Spanien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Sprich: «Befreundete» Länder, aus denen sie Rettungstrupps auch einreisen lasse.
Nicht so wie Deutschland, das ein 50-köpfiges Team zum Kölner Flughafen schickte, welches nach Ablehnung des Angebotes aus Marokko wieder nach Hause gesandt wurde.
Politische Hintergründe als Motiv? Potenzielle Spannungen mit Frankreich
Die Ablehnung dieser Rettungsangebote sorgte für Überraschung. Vor allem in Frankreich. Marokko, ein Land das von Frankreich von 1912 bis 1956 als Kolonie beherrscht wurde, hat bereits seit einigen Monaten keinen Botschafter in Paris.
Grund hierfür sind die Spannungen, seit Frankreich engeren Kontakt mit Algerien sucht. Ebenso könnten hinter der Ablehnung von Deutschlands Angebot politische Motive stecken. Auch hier zog Marokko zu Zeiten des Westsahara-Streites 2021 ihren Botschafter aus Berlin ab.
Mittlerweile bezeichnet Bundesaussenministerin Annalena Baerbock ihre Beziehung als gut. Man zeige Verständnis für Rabat und das Zögern gegenüber der Annahme von Hilfeleistungen.
Das marokkanische Aussenministerium bedankte sich am Sonntag für die vielen Hilfsangebote und verkündete, es werde auf Hilfen zurückkommen, solle sich der Bedarf ändern. Man würde zuerst den «Bedarf vor Ort» bewerten und eine «gute Koordination» sicherstellen.
Niedergeschlagene Überlebende zweifeln an Regierung
Viele Überlebende des Erdbebens zweifeln an den Entscheidungen des eigenen Staates. Die BBC zitiert einen Bewohner in einem zerstörten Dorf. «Wir brauchen Hilfe von jedem, der sie uns geben will.» Das Erdbeben nahm tausende Leben und verletzte ebenso viele Menschen schwer.
Ob politische Spannungen, eigensinnige Motive oder sorgfältige Prüfungen des Bedarfs – es bleibt weiterhin unklar, warum Rabat die Hilfe der Schweiz und vieler anderer Länder bisher nicht annimmt.