Erdogan sieht günstige Atmosphäre für Annäherung an die EU
Der türkische Präsident Erdogan will sich scheinbar wieder an die EU annähern – dahinter könnten auch wirtschaftliche Motive stecken.
Das Wichtigste in Kürze
- Türkei-Präsident Erdogan verlautbarte den Wunsch, sich an die EU anzunähern.
- Dabei erwarte er sich konkrete Ergebnisse von Beitritts-Gesprächen.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will sich dem Westen wieder annähern. «Es herrscht eine günstige Atmosphäre für die Wiederbelebung unseres Beitrittsprozesses zur Europäische Region», sagte Erdogan. Nach Angaben seines Büros tätigte er diese Aussage auf dem Rückflug vom Nato-Gipfel in Vilnius vor mitreisenden Journalisten.
Die Türkei wolle bald «konkrete Ergebnisse» in Gesprächen mit der EU, die nach dem «Win-win Prinzip» geführt werden sollten. Auch in den Beziehungen zu den USA sehe er eine neue Dynamik, sagte Erdogan.
Umbau in Präsidialsystem problematisch für EU
Die EU hatte bereits 2005 mit der Türkei Beitrittsgespräche begonnen. Diese wurden allerdings vor einigen Jahren wieder auf Eis gelegt, weil Brüssel inakzeptable Entwicklungen im Bereich der Rechtsstaatlichkeit sah. Eine Aufnahme der Türkei in die EU gilt derzeit als unrealistisch.
Seit dem Umbau in ein Präsidialsystem 2018 hat Erdogan weitreichende Vollmachten. Parlament und Institutionen sind geschwächt. Die Türkei missachtet zudem Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Dieser hatte etwa die Freilassung des inhaftierten Kulturförderers Osman Kavala sowie des Oppositionspolitikers Selahattin Demirtas angeordnet.
Wirtschaftliche Motive nicht ausgeschlossen
Beobachter sehen in Erdogans Vorstoss auch wirtschaftliche Motive. Erdogan benötigt angesichts einer massiven Inflation und dem Wiederaufbau in der Erdbebenregion Investitionen aus dem Westen.
Erdogan hatte am Montag kurz vor dem Nato-Gipfel für Aufregung gesorgt: Seine Zustimmung zum Nato-Beitritt Schwedens knüpfte überraschend an eine Wiederaufnahme der Beitrittsgespräche mit der EU. Seine Blockadehaltung gab Erdogan noch vor dem Gipfel auf. Das türkische Parlament muss die Beitrittsprotokolle aber noch ratifizieren und befasst sich voraussichtlich erst im Oktober mit dem Thema.