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Migration über Belarus: EU mit neuem Sanktionsinstrument

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Deutschland,

Die EU wirft der Führung in Belarus vor, Migration als Waffe einzusetzen. Mit Hilfe eines neuen Sanktionsinstruments will sie Lukaschenko nun die Munition nehmen.

Migranten wärmen sich an einem Feuer an der belarussisch-polnischen Grenze auf. Foto: Oksana Manchuk/BelTA/AP/dpa
Migranten wärmen sich an einem Feuer an der belarussisch-polnischen Grenze auf. Foto: Oksana Manchuk/BelTA/AP/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Aussenminister der EU-Staaten haben ein neues Sanktionsinstrument gegen Beteiligte an der Schleusung von Migranten nach Belarus beschlossen.

Die Europäische Union werde nun Personen und Einrichtungen ins Visier nehmen können, die einen Beitrag dazu leisteten, dass das belarussische Regime Menschen für politische Zwecke instrumentalisieren könne, teilte der Rat der Mitgliedstaaten am Montag mit. Am Abend telefonierte Kanzlerin Angela Merkel mit dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko.

Nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert ging es bei dem Telefonat um «die schwierige Situation an der Grenze zwischen Belarus und der Europäischen Union». Laut belarussischem Staatsfernsehen dauerte das Gespräch etwa 50 Minuten. Dabei sei etwa besprochen worden, wie eine Eskalation der Lage an der Grenze verhindert werden könne. Es sei zudem um eine humanitäre Unterstützung von den im Grenzgebiet festsitzenden Migranten gegangen.

Macron telefonierte mit Putin

Parallel telefonierte der französische Präsident Emmanuel Macron mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Beide plädierten für eine Deeskalation der Lage an der polnisch-belarussischen Grenze. Ausserdem sprachen sie über die Rolle, die Russland bei der Lösung des Konflikts spielen könne, wie es im Anschluss aus Élyséekreisen hiess. Putin kritisierte nach Angaben des Kremls das «harte Vorgehen» des polnischen Grenzschutzes gegen Migranten und erklärte, die Chefs der EU-Staaten sollten das Problem direkt mit Lukaschenko besprechen.

An der EU-Aussengrenze zwischen Polen und Belarus kommen auf der belarussischen Seite des Grenzübergangs Kuznica unterdessen immer mehr Migranten zusammen. Nach Angaben der Polizei seien dort mittlerweile rund 3500 Menschen versammelt, schrieb der Sprecher des Koordinators der Geheimdienste, Stanislaw Zaryn, am Montag auf Twitter. Dazu postete er eine Video mit Luftaufnahmen. Sie zeigen eine grosse Menschenmenge bei den Abfertigungsanlagen des geschlossenen Grenzübergangs und ein verlassenes, zerstörtes Zeltlager in der Nähe.

«Grosse Kolonne» Richtung polnischer Grenze unterwegs

Eine Sprecherin des polnischen Grenzschutzes sagte, man rechne mit einem Versuch, die Grenze mit Gewalt zu überwinden. Auch der belarussische Grenzschutz berichtete am Mittag, dass eine «grosse Kolonne» sich in Richtung polnischer Grenze bewege.

Polen wolle noch in diesem Jahr mit dem Bau einer dauerhaften Befestigung an seiner Grenze zu Belarus beginnen, schrieb Innenminister Mariusz Kaminski auf Twitter. Polen hat bereits einen provisorischen Zaun entlang der Grenze errichtet. Dabei handelt es sich um einen Stacheldrahtverhau von etwa 2,50 Metern Höhe. Dieser soll nun von einer dauerhaften Barriere von 5,5 Metern Höhe ersetzt werden, die mit Bewegungsmeldern und Kameras ausgerüstet ist.

Die EU wirft dem belarussischen Machthaber Lukaschenko vor, in organisierter Form Flüchtlinge aus Krisenregionen an die EU-Aussengrenze zu bringen. Vermutet wird, dass er sich damit für Sanktionen rächen will, die die EU wegen der Unterdrückung der Zivilgesellschaft und der Opposition in Belarus erlassen hat.

Nun soll das neue Sanktionsinstrument etwa gegen Fluggesellschaften eingesetzt werden können, die Migranten zur Weiterschleusung in die EU nach Belarus fliegen. Die Lage sei so dramatisch, dass er auch eine Verweigerung von Überflugrechten oder Landegenehmigungen im europäischen Raum nicht mehr ausschliessen könne, erklärte der geschäftsführende deutsche Aussenminister Heiko Maas (SPD).

Maas: Noch lange nicht am Ende der Sanktionsspirale

Man werde diesen Weg der Härte jetzt weitergehen und auch über zusätzliche Wirtschaftssanktionen reden müssen. «Wir sind noch lange nicht am Ende der Sanktionsspirale angelangt», sagte Maas. Was man erlebe, sei ein menschenverachtendes System, das Flüchtlinge als Instrumente benutze, um Druck auf die Europäische Union auszuüben.

Konkret soll das neue Sanktionsinstrument unter anderem gegen die staatliche belarussische Fluggesellschaft Belavia eingesetzt werden. Diese soll künftig von europäischen Firmen, die Flugzeuge verleasen, keine Maschinen mehr nutzen dürfen. Ziel ist, dass Belavia dann nicht mehr so viele Menschen aus armen oder konfliktreichen Ländern zur Weiterschleusung in die EU nach Belarus fliegen kann.

Zu den Flugzeugleasinggesellschaften, die Maschinen an Belavia verliehen haben, gehören das dänische Unternehmen Nordic Aviation Capital sowie das irische Unternehmen AerCap. Sie müssen nun befürchten, viel Geld zu verlieren. Laut EU-Kreisen hatte Belavia zuletzt deutlich mehr als die Hälfte seiner rund 30 genutzten Flugzeuge nur geleast. Dem irischen Rundfunksender RTÉ zufolge werden allein 17 der 30 Belavia-Maschinen von irischen Unternehmen geleast. Diese Verträge würden nun beendet, sagte Irlands Aussenminister Simon Coveney dem Sender und fügte hinzu: «Diese Flugzeuge müssen jetzt entweder zurückgegeben werden, oder ich gehe davon aus, dass es juristische Schritte geben wird.»

Nach Angaben von Diplomaten sollen mit dem neuem Sanktionsinstrument in einem ersten Schritt etwa 30 Personen und Unternehmen ins Visier genommen werden. Neben Belavia sollen darunter auch Reiseveranstalter und an der Schleusung beteiligte Mitglieder des Regierungsapparats in Belarus sein. Das «Paket» werde in den kommenden Tagen fertiggestellt, erklärte der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell am Abend in einer Pressekonferenz.

Wenige Flüge mit Migranten landen in Belarus

Noch unklar war zunächst, ob auch ausländische Fluggesellschaften sanktioniert werden. So haben die Drohungen nach Angaben Borrells bereits dazu geführt, dass die Zahl der Flüge mit Migranten nach Belarus deutlich abnimmt. Was den Zustrom von Menschen angehe, sei man dabei, die Dinge unter Kontrolle zu bekommen, sagte er.

Konkret hatte bereits in der vergangen Woche die Türkei verfügt, dass Staatsbürger mehrerer arabischer Länder nicht mehr von ihrem Staatsgebiet aus nach Belarus fliegen dürfen. Die syrische Airline Cham Wings teilte mit, Flüge in die belarussische Hauptstadt Minsk ganz einzustellen. Ähnliche Zusicherungen kamen laut EU von der irakischen Gesellschaft Iraqi Airways.

In den Fokus rückt damit die Frage, was mit denjenigen Menschen passieren soll, die sich bereits in Belarus aufhalten. «Wir müssen darüber reden, wie wir sie sicher in ihre Heimat zurückbringen können», sagte Litauens Aussenminister Gabrielius Landsbergis.

Maas sprach sich klar gegen eine Aufnahme von in Belarus festsitzenden Migranten in Deutschland aus. «Ich würde dafür plädieren, dass die Menschen, die dort sind (...) in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden». Man sehe, dass Menschen mit Flugtickets nach Belarus fliegen. «Diejenigen, die politisches Asyl bekommen, haben meistens andere Wege, die sie nehmen müssen», sagte er.

Irak will Sonderflug für Rückkehrende einsetzen

Der Irak will am Donnerstag mit einem ersten Sonderflug irakische Flüchtlinge aus Belarus zurück in ihr Heimatland bringen. Die Rückkehr erfolge freiwillig, sagte ein Sprecher des Aussenministeriums in Bagdad am Sonntag dem irakischen Staatsfernsehen. Man wisse von etwa 750 Irakern, die an der belarussischen Grenze festsässen.

Der Migrationsexperte Gerald Knaus plädierte dafür, neben schärferen Sanktionen gegen Belarus zugleich eine legale Verteilung von Migranten in sichere Drittländer anzugehen. «Die EU muss einen Weg finden, dass nach einer sofortigen humanitären Aufnahme nicht in vier Wochen 15.000 Menschen bei noch tieferen Temperaturen an der gleichen Grenze leiden. Dafür sollte man jene, die nach einem Stichtag nach Polen kommen, im Einklang mit internationalem Recht in einen sicheren Staat ausserhalb der EU bringen», sagte Knaus der «Rheinischen Post». So liesse sich Lukaschenkos Schleusermodell zerstören.

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