EU-Minister für verschärfte Einreisekontrollen wegen Coronavirus
Wegen der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus wollen die EU-Länder die Einreisekontrollen verschärfen und sich auf Engpässe bei Arzneimitteln und Schutzkleidung vorbereiten.
Das Wichtigste in Kürze
- Sorge über Engpässe bei Medikamenten und Schutzkleidung.
Bei Ein- oder Durchreise aus betroffenen Gebieten sollen künftig umfassende Befragungen von Reisenden nach persönlichen Kontakten erlaubt sein, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Darauf habe er sich bei einem Sondertreffen mit seinen EU-Kollegen am Donnerstag in Brüssel geeinigt.
In China würden wichtige Wirkstoffe produziert, die für viele Medikamente nötig seien, sagte Spahn. Die Produktionsstopps wegen des Virus bei Herstellerfirmen in der Volksrepublik könnten in einigen Wochen zu «Lieferengpässen in Europa» führen. Ähnliches gilt für Schutzkleidung und Masken: «Der Grossteil der Hersteller dieser Ausrüstung sitzt in China und hat nun selbst keine Vorräte mehr», sagte Frankreichs Gesundheitsministerin Agnès Buzyn.
In ihrer gemeinsamen Erklärung forderten die Gesundheitsminister die EU-Kommission nun auf, die «Sicherheit von Lieferketten zu untersuchen» und die Möglichkeiten «gemeinsamer Beschaffung» auszuloten, um «potenzielle Engpässe zu minimieren».
In China wurden mittlerweile fast 60.000 Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus bestätigt, mehr als 1300 Menschen starben in der Volksrepublik. China ist ein Schlüsselland für die Herstellung von Medikamenten. Viele dortige Firmen haben aber wegen des Virus die Produktion ausgesetzt.
Spahn sagte, Medikamentenengpässe könnten mit Zeitverzögerung eintreten. Container aus China seien rund vier Wochen nach Europa unterwegs. «Das heisst, es kommt jetzt noch etwas an», sagte er. Dies könne sich aber demnächst ändern.
Spahns finnische Kollegin Krista Kiuru sagte, tatsächlich sei «die pharmazeutische Industrie der EU stark von der Einfuhr von Wirkstoffen aus China abhängig». Die französische Akademie für Pharmazie erläuterte, 80 Prozent der wichtigsten pharmazeutischen Wirkstoffe würden ausserhalb Europas produziert, davon wiederum ein Grossteil in Asien. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sieht derzeit keine Engpässe, prüft aber nach eigenen Angaben das Risiko mittelfristiger Einschränkungen.
In der EU gibt es nach Angaben des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) bisher 35 im Labor bestätigte Infektionen, darunter 16 in Deutschland. Todesopfer gab es in Europa bisher nicht.
Es sei nicht ausgeschlossen, «dass aus der bisher regional begrenzten Epidemie in China eine weltweite Pandemie werden kann», sagte Spahn. Die Lage könne «erst noch schlechter werden wird, bevor es besser wird».
Spahn lehnte nationale Alleingänge bei Kontrollen an Grenzen und Flughäfen in Europa erneut ab. Ihm sei es aber wichtig gewesen, dass verstärkte Massnahmen wie intensive Befragungen von Reisenden aus betroffenen Gebieten bei seinen EU-Kollegen «grundsätzlich Unterstützung finden». Nun liege es an den einzelnen Mitgliedstaaten, tatsächliche Beschlüsse in dieser Richtung zu fassen.
Laut kroatischem Gesundheitsminister Vili Beros, der als Vertreter der kroatischen Ratspräsidentschaft das Ministertreffen leitete, war insbesondere dieser Punkt strittig: «Deshalb hat es so lange gedauert einen gemeinsamen Standpunkt zu entwickeln». Beros zufolge hielten es die Vertreter einiger Mitgliedstaaten für unmöglich, «sämtliche Kontakte mit potenziell infizierten Personen aufzuzählen».
Tschechiens Gesundheitsminister Adam Vojtech schloss bei einer Verschärfung der Situation auch Reisebeschränkungen innerhalb des Schengenraums nicht aus, in dem es keine Grenzkontrollen gibt und dem die meisten EU-Staaten angehören.
Italiens Gesundheitsminister Roberto Speranza zeigte sich unterdessen besorgt über die Risiken in Afrika. Die Gesundheitssysteme vieler afrikanischen Länder seien «sehr viel verletzlicher» als die europäischer Staaten, sagte er. Breite sich der Virus dort aus, könne dies auch «ernsthafte Folgen» für Europa haben.
Belgiens Gesundheitsministerin Maggie de Block forderte angesichts von Anfeindungen gegen asiatischstämmige Menschen wegen der Epidemie eine klare Positionierung gegen «anti-chinesischem Rassismus».