Im Kampf gegen Hass und Hetze im Internet wollen die EU-Staaten Online-Riesen wie Facebook stärker in die Pflicht nehmen.
Wer online Hassbotschaften verbreitet oder Menschen bedroht, muss künftig mit schärferer Verfolgung rechnen. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa
Wer online Hassbotschaften verbreitet oder Menschen bedroht, muss künftig mit schärferer Verfolgung rechnen. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa - dpa-infocom GmbH

Im Kampf gegen Hass und Hetze im Internet wollen die EU-Staaten Online-Riesen wie Facebook stärker in die Pflicht nehmen. «YouTube, Facebook und Co sind in der Verantwortung, sich nicht als Hetz- und Fake-News-Plattformen missbrauchen zu lassen», sagte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht am Montag nach Beratungen mit ihren EU-Amtskollegen.

Es habe grosse Übereinstimmung darüber gegeben, dass es mit Freiwilligkeit nicht getan sei.

«Wir müssen weitere Schritte hin zu klaren Verpflichtungen der Plattformen gehen», sagte die SPD-Politikerin. EU-Vizekommissionschefin Vera Jourova betonte, eine europäische Lösung sei nötig - und kritisierte damit die deutschen Alleingänge der vergangenen Jahre.

Die Beratungen der Justizminister waren die erste Ministerrunde während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, die Deutschland am 1. Juli für sechs Monate übernommen hat. Lambrecht leitete die Videokonferenz.

In Deutschland haben Bundestag und Bundesrat gerade ein Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität im Internet beschlossen. Für soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter gibt es weitreichende Pflichten: Sie müssen Posts mit Neonazi-Propaganda, Volksverhetzung oder Mord- und Vergewaltigungsdrohungen nicht mehr nur löschen, sondern dem Bundeskriminalamt melden. Um die Täter schnell zu identifizieren, müssen sie auch IP-Adressen weitergeben. Bei besonders schweren Straftaten wie Terrorismus und Tötungsdelikten sollen nach einem Richterbeschluss auch Passwörter verlangt werden dürfen. Damit wurde das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) geändert, das bereits seit 2017 gilt.

Lambrecht hob die Gefahren durch Lügen im Internet vor allem während der Corona-Krise hervor. «Solche Verschwörungstheorien können lebensgefährlich sein. Immer dann, wenn zum Beispiel eine Pandemie insgesamt in Frage gestellt wird oder absurde Heilmittel angeboten oder angepriesen werden.»

Die Liste der zuletzt verbreiteten Falschnachrichten ist lang. So behaupten Verschwörungstheoretiker immer wieder, dass der Microsoft-Gründer Bill Gates hinter dem Coronavirus stecke. Ebenso wird online etwa Bleichmittel als Mittel gegen Covid-19 empfohlen. Lambrecht beklagte zudem rassistische und antisemitische Anfeindungen. Menschen dürften durch Hetze und Bedrohungen nicht mundtot gemacht werden. Was im analogen Leben strafbar sei, müsse auch für die digitale Welt gelten.

Die EU-Kommission setzt im Kampf gegen Hass, Hetze und Lügen im Internet bislang nicht auf verpflichtende Vorgaben, sondern auf freiwillige Kooperation. Facebook, Microsoft, Twitter und YouTube unterzeichneten 2016 etwa einen freiwilligen Verhaltenskodex gegen illegale Hassrede.

Jourova stellte nun allerdings Gesetzesvorschläge in Aussicht, die verpflichtende Vorgaben für Online-Netzwerke machen. «Wir würden die Verantwortung der Plattformen und die Transparenz dessen, was in ihren Systemen geschieht, gerne erhöhen», sagte sie. Es brauche mehr rechtliche Sicherheit und Regeln, die für alle gälten. Dies könne nicht davon abhängen, ob die Unternehmen aus einer gesellschaftlichen Verantwortung freiwillig handelten.

Die EU-Kommission setzt sich dabei für geschlossenes Handeln ein: «Ich verberge nicht, dass wir für die Europäische Union eine paneuropäische Lösung möchten», sagte Jourova. Dies bedeute, dass die EU-Staaten nicht ihre jeweils spezifischen Gesetze haben sollten.

Die Regeln sollten ihrer Ansicht nach Teil des Gesetzes für digitale Dienste sein, für das die EU-Kommission Ende des Jahres einen Vorschlag vorlegen will. Elementarer Grundsatz bleibe jedoch die Redefreiheit. Es sei wichtig, aus den deutschen Erfahrungen zu lernen.

Neben Online-Hetze standen am Montag die Einschränkungen der Freiheitsrechte in Deutschland und vielen anderen EU-Staaten während der Corona-Krise auf Programm. Die Ministerinnen und Minister mahnten an, dass auch in Krisenzeiten die demokratische Mitbestimmung nicht leiden dürfe. «Keine Freiheit darf nur einen Tag länger eingeschränkt bleiben als unbedingt nötig», sagte Lambrecht. Derzeit versuchten Populisten und Radikale, die Not der Menschen in der Corona-Krise auszunutzen. Umso wichtiger seien parlamentarische Kontrolle, eine unabhängige Justiz und freie Medien.

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