Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Problem mit Witwerrente
Eine Frau erhält in der Schweiz länger Witwerrente als ein Mann. Ein konkreter Fall wurde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte behandelt.
Das Wichtigste in Kürze
- In der Schweiz gibt es Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen bei der Witwerrente.
- Der EGMR hat die Beschwerde eines Witwers gutgeheissen.
- In der Schweiz erhalten Frauen länger eine Witwenrente als Männer.
Die Schweiz macht bei Renten für verwitwete Personen eine unzulässige Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen. Der European Court of Human Rights (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) hat die Beschwerde eines Witwers gutgeheissen.
Der Mann hatte nach dem Tod seiner Ehefrau die beiden Kinder alleine grossgezogen und eine Witwerrente erhalten. Nach dem Erreichen der Volljährigkeit der jüngsten Tochter wurde die Witwerrente aufgehoben. Die Aufhebung der Rente wäre nicht erfolgt, hätte es sich bei dem Witwer um eine Frau gehandelt.
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Sichtweise ist veraltet
Der beschränkte Witwerrenten-Anspruch basiert auf der Überlegung, dass der Ehemann für den Lebensunterhalt der Frau aufkommt. Diese Sichtweise entspricht nicht mehr den heutigen Gegebenheiten, hält der EGMR fest. Die Konvention sei ein «lebendiges Instrument», mit dem die Umstände unter dem aktuellen Blickwinkel behandelt werden müssten.
Das Bundesgericht wies die Beschwerde des Betroffenen im Mai 2012 mit folgender Begründung ab: Der Gesetzgeber habe im AHV-Gesetz explizit eine geschlechtsspezifische Unterscheidung vorgenommen. Diese ergebe sich weder wegen biologischer noch anderer Verschiedenheiten. Die Räte hätten somit bewusst eine dem Gleichstellungsgrundsatz und damit der Bundesverfassung zuwider laufende Bestimmung verabschiedet.
Das Bundesgericht wies in seinem damaligen Urteil jedoch auch auf die Botschaft des Bundesrates zur abgelehnten elften AHV-Revision hin. Der Bundesrat schrieb damals: Der Anspruch auf Witwerrente, wonach die Rente mit dem Erreichen der Volljährigkeit des jüngsten Kindes erlösche, widerspreche dem Gleichbehandlungs-Grundsatz.