Experte: Corona und Brexit haben Nordirland-Konflikt wieder angeheizt
Angesichts von Pandemie und Brexit warnt eine Friedensorganisation in Nordirland vor der Verschärfung des jahrzehntealten Konflikts. Beide Seiten rüsten auf.

Das Wichtigste in Kürze
- In Nordirland haben paramilitärische Gruppen seit dem Brexit viel Zulauf erhalten.
- Das Ausmass der Neurekrutierungen sei «alarmierend», sagt ein Experte.
- Der Brexit habe Identitätsfragen neu lanciert, während Corona einen Diskurs verhinderte.
Paramilitärische Gruppen auf beiden Seiten erhielten derzeit grossen Zulauf, sagte der Chef des International Fund for Ireland (IFI), Paddy Harte, der Nachrichtenagentur PA am Samstag.

Sowohl die zumeist protestantischen Anhänger der Union mit Grossbritannien als auch die katholischen Befürworter einer Wiedervereinigung mit dem EU-Mitglied Irland würde in «alarmierendem» Ausmass neue Kräfte rekrutieren. Es sei «sehr, sehr wahrscheinlich», dass es zu neuer Gewalt komme.
Corona verhinderte Prävention
«Der Brexit hat Fragen der Kultur und Identität sowie alte Wunden aufgeworfen, die weit in den Hintergrund getreten waren», so Harte.
Corona habe dann Möglichkeiten zum Diskurs unterbunden. Zudem habe ein «Covid-Nationalismus» dazu geführt, dass Unterschiede in der Pandemiebekämpfung in Irland und Grossbritannien stärker unter die Lupe genommen worden seien.

Die Loyalisten befürchteten, dass der Brexit und die im Austrittsvertrag festgelegten Handelsregeln eine innerbritische Grenze schaffen, sagte Harte. Auf der anderen Seite fühlten sich die Republikaner im Stich gelassen. Nur mit grossem Einsatz von Friedensstiftern und Sozialarbeitern seien im Frühjahr grössere Krawalle verhindert worden. Damals kam es tagelang zu Ausschreitungen vor allem in Belfast. Die Lage bleibe aber herausfordernd, sagte Harte.
Die unabhängige Organisation wurde 1986 gemeinsam von der britischen und der irischen Regierung gegründet, um Friedensbemühungen und Widergutmachungsprozesse in Nordirland zu fördern.