Recep Tayyip Erdogan

Experte: Trump «kopiert» Erdogan und Putin

Dina Müller
Dina Müller

Türkei,

Recep Tayyip Erdogan lässt seinen Gegner verhaften, Donald Trump ist ein «egomaner Führer»: Experten zeigen die Gemeinsamkeiten mit Russen-Machthaber Putin auf.

Recep Tayyip Erdogan
Recep Tayyip Erdogan, Wladimir Putin und Donald Trump haben einiges gemeinsam. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Ekrem Imamoglu, Konkurrent von Recep Tayyip Erdogan, wurde in der Türkei festgenommen.
  • Die Inhaftierung erinnert an den Umgang mit politischen Gegnern in Russland.
  • Die beiden Staatsoberhäupter Putin und Erdogan haben laut Experten ähnliche Politikstile.
  • Den Russland-Vergleich zieht er auch bei Trumps USA.

Seit über zehn Jahren ist Recep Tayyip Erdogan Präsident der Türkei. Das soll sich gemäss seinen Vorstellungen auch bei den nächsten Wahlen 2028 nicht ändern.

Ob gerade deshalb sein grösster Konkurrent, Ekrem Imamoglu (CHP), letzten Mittwoch festgenommen wurde? Davon ist auszugehen.

Klar ist: Imamoglu sollte wenige Tage nach seiner Verhaftung als Präsidentschafts-Kandidat ernannt werden. Er gilt als vielversprechendster Gegenkandidat von Erdogan.

Inzwischen wurde er von seiner Partei offiziell als Kandidat gemeldet. Derweil demonstrieren Tausende in der Türkei für seine Freilassung.

Die Situation erinnert an einen anderen Machthaber: Putin. Er hat im Laufe seiner Herrschaft zahlreiche Oppositionspolitiker inhaftieren oder mutmasslich ermorden lassen. Eines der bekanntesten Opfer war Alexej Nawalny.

«Rückwärtsgewandt» und «patriarchalisch»

Tatsächlich haben Recep Tayyip Erdogan und Wladimir Putin viele Gemeinsamkeiten.

Ein paar Beispiele: «Beide bedienen sich ideologisch eines reaktionären, religiös aufgeladenen Nationalismus», erklärt der Türkeiwissenschaftler Christoph Ramm.

Sie würden «nostalgische imperiale Grossmachtfantasien» mit einem «rückwärtsgewandten, patriarchalischen Gesellschaftsbild» verknüpfen.

Hinzu kommt laut dem Experten für den Mittleren Osten und muslimische Gesellschaften von der Universität Bern: «Erdogan und Putin verkörpern den Typus des egomanen männlichen Staatsführers. Beide glauben, unersetzlich zu sein und beide umgeben sich mit politischen Günstlingen.»

Sowohl Erdogan als auch Putin «verfolgen dasselbe rechtsnationalistisch-autoritäre Politikmodell», sagt Ramm.

Ein Modell, das auch in anderen Ländern wie Orbans Ungarn dominiere – «und jetzt die USA unter Trump prägt».

Trump folgt «gleichen Linien wie Putin»

Der Experte vergleicht also nicht nur Erdogan mit Putin – sondern auch Donald Trump.

«Er ist wie Putin und Erdogan die lokale Ausdrucksform eines internationalen Trends rechtsautoritärer Bewegungen», erklärt er.

Die Machthaber und ihre Politikstile inspirieren sich laut Ramm gegenseitig: «Die MAGA-Bewegung und ihre intellektuellen Hinterleute folgen den gleichen grossen Linien wie Putin, Erdogan, Orban und andere.»

Christoph Ramm Uni Bern
Christoph Ramm ist Sozialanthropologe an der Universität mit Fachbereich Mittlerer Osten und muslimische Gesellschaften. - zVg

Dabei gebe es einige zentrale Aspekte. Etwa «der egomane Führer» und die «Reduzierung von Demokratie auf eine Herrschaft der Mehrheit».

Hinzu kommt, dass die Gewaltenteilung und der Schutz von Minderheiten «verachtet» wird. Und: Die Trumpisten würden den Staatsapparat auf der Basis von persönlicher Loyalität umbauen statt Kompetenz.

Ähnlich, wie das zuvor der türkische oder der russische Präsident gemacht haben. Zusammengefasst: «Trump kopiert aus dem Drehbuch von Erdogan, Putin und Co.», sagt Ramm.

«Putin ist aussenpolitisch aggressiver als Erdogan»

Einige Unterschiede zwischen der Türkei und Russland gibt es allerdings doch.

Osteuropa-Experte Ulrich Schmid erklärt: «Putin ist aussenpolitisch aggressiver als Erdogan.» Wichtigstes Beispiel dafür ist der Krieg in der Ukraine, den Putin angezettelt hat.

Auch innenpolitisch bestehen wichtige Unterschiede zwischen Russland und der Türkei.

Ramm erklärt: «Ein demokratisches System ist in weiten Teilen der türkischen Gesellschaft der akzeptierte Standard. Auch, wenn es immer wieder repressiv eingeschränkt wurde.»

Recep Tayyip Erdogan stütze seine Legitimation darauf, dass er mit seiner Partei AKP bisher alle Wahlen gewonnen hat.

Doch Wahlergebnisse zeigen, dass mindestens die Hälfte der türkischen Bevölkerung Erdogans Herrschaft ablehnt. In Russland ist das anders.

Hinzu kommt, dass die Türkei «eine traditionell starke Protestkultur hat». Das zeigt sich auch jetzt: Die Verhaftung von Imamoglu hat zu grossen landesweiten Demonstrationen geführt.

Ob das ausreiche, um einer weiteren Radikalisierung von Erdogans autoritärer Herrschaft Grenzen zu setzen, ist laut Ramm derzeit unklar.

Putin und Erdogan haben «enorme Macht»

Wichtige Unterschiede gibt es auch zu den USA.

Trumps Entscheidungen können noch durch den Kongress oder das Oberste Gericht gestoppt werden. Die Macht von Putin und Erdogan dagegen ist beinahe grenzenlos.

Ulrich Schmid Uni Stgallen
Ulrich Schmid ist Professor für Osteuropastudien an der Universität St. Gallen. - keystone

Schmid sagt: «Sowohl Putin als auch Erdogan können ohne Checks und Balances von Kabinett, Parlament oder Justiz regieren.»

Sie werden also von keinen politischen Gegenkräften kontrolliert oder ausgeglichen. Schmid erklärt: «Putin und Erdogan haben eine enorme Macht in ihren Händen geballt.»

Machst du dir Sorgen um die politische Zukunft von Ländern wie der Türkei, Russland oder USA?

Die beiden Länder können heute laut dem Osteuropa-Experten als «kompetitive autoritäre Staaten» bezeichnet werden.

Heisst: «Die Macht ist zwar beim Präsidenten konzentriert, gegen aussen wird aber immer noch die Fassade der Demokratie gewahrt.»

Dabei würden politische Initiativen von unten im Keim erstickt.

Experte vergleicht Recep Tayyip Erdogan mit Putschgenerälen

Wer sich kritisch äussert, wird inhaftiert – bei Putin ist das längst gang und gäbe. Aktuellstes Beispiel dafür ist der Kommunalpolitiker Alexej Gorinow. Er wurde verurteilt, weil er sich gegen Russlands Überfall auf die Ukraine gestellt hatte.

Doch auch Recep Tayyip Erdogan sind solche Massnahmen nicht fern.

«Seit dem Putschversuch 2016 hat Erdogan die Schrauben deutlich angezogen», erklärt Schmid. «Er wird versuchen, seine Macht auch in Zukunft weiter abzusichern.»

Das war wohl auch der Hintergrund der Verhaftung von Oppositionspolitiker Ekrem Imamoglu.

Hat Erdogan Imamoglu verhaften lassen, um einen Konkurrenten auszuschalten?

Ramm erklärt: «Erdogan scheint damit zu versuchen, einen populären Herausforderer aus dem Spiel zu nehmen.» So wolle er die Opposition einschüchtern und die nächsten Wahlen gewinnen.

Mit diesem Schritt stellt sich Erdogan laut dem Experten letztlich auf das Niveau türkischer Putschgeneräle der Vergangenheit.

Kommentare

User #5136 (nicht angemeldet)

Da muss ich jetzt mal sagen, wie sonst unsere Dauermotzer, dafür brauche ich keinen Experten. Das war ja schon vor seiner ersten Amtszeit klar und hat er damals schon so begonnen.

User #3602 (nicht angemeldet)

nau.ch kopiert die Zensur von Putin.

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