Experten kritisieren Bauweise von Häusern in Albanien nach Erdbeben
Ein Erdbeben hinterlässt Tod und Zerstörung in Albanien. Doch das Ausmass müsste nicht so gross sein, sind sich ein Schweiz-Albaner und eine Expertin einig.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Verlaufe des Vormittags steigt die Zahl von Toten und Verletzten in Albanien an.
- Die Gesellschaft Schweiz-Albanien ist betroffen, aber nicht überrascht.
- Eine Seismologin ordnet das Ausmass der Zerstörung ein.
In Albanien bebte die Erde – schon wieder! Euronews vermeldete 16 Tote, mindestens 600 Menschen wurden verletzt. Erste Bilder zeigen das Ausmass der Zerstörung: Häuser liegen in Trümmern, Strassen sind nicht mehr befahrbar.
Bauvorschriften werden nicht immer befolgt
Lars Haefner von der Gesellschaft Schweiz-Albanien macht die Tragödie betroffen. Überrascht ist er aber nicht. «Albanien ist bekannt für solche Erdbeben. Erst im September war das letzte». Haefner trauert um die Toten und Verletzten. «Ich bin aber gleichzeitig erleichtert, dass nicht mehr passiert ist.»
«In Albanien bewegt sich punkto Bauvorschriften nicht immer alles ganz im legalen Rahmen. Es gibt beispielsweise in Tirana 20-stöckige Hochhäuser, welche nicht erdbebensicher sind. Darum hätte es auch wesentlich schlimmer kommen können.»
Schweiz ist Hauptinvestor in Albanien
Gerade die Schweiz hätte in den letzten Jahren aber viel in die Infrastruktur investiert, sagt Haefner. Auch deshalb sei wohl nicht mehr passiert. Dafür sei er extrem dankbar.
Tatsächlich ist die Schweiz gemäss dem letztjährigen Jahresbericht der albanischen Nationalbank der grösste ausländische Investor im Küstenstaat. Mehrere hundert Millionen hat die Schweiz 2018 in die Sanierung von Strassen und Brücken sowie die Trans Adriatic Pipeline investiert.
Expertin: «Erdbeben der Stärke 6 können Gebäude problemlos wegstecken»
Was für einen grossen Einfluss erdbebensicheres Bauen haben kann, unterstreicht auch Anne Obermann vom Schweizerischen Erdbebendienst (SED). «Ein Beben der Stärke 6 kann ein Gebäude mit konsequent erdbebensicherer Bauweise mit grosser Wahrscheinlichkeit überstehen, ohne einzustürzen. In Japan passieren solche Beben regelmässig. Von dort hört man aber selten etwas über eingestürzte Gebäude.»
Obermann hofft, dass die Behörden beim Wiederaufbau den Fokus auf erdbebensicheres Bauen legen. «Es gibt verschiedenste Ingenieurtricks, um ein Gebäude erdbebensicher zu machen. Die Höhe von Stockwerken oder verbautes Metall in den Wänden kann einen grossen Einfluss haben. Auch die Zusammensetzung des Bodens spielt eine grosse Rolle für die Stärke, mit der ein Gebäude erschüttert wird.»
Tektonisch sehr aktive Gegend
Denn die Gegend sei tektonisch sehr aktiv, erklärt Obermann. «Die Erdbeben haben ihre Ursache in der Kompressionsbewegung, mit der das zentrale und südliche Italien gegen Nordosten gedrückt und das Adriatische Meer zunehmend eingeschnürt wird.»
Dass die Albaner gerade dieses Beben so heftig zu spüren bekamen, liege daran, dass das Epizentrum nahe an der Oberfläche gewesen sei. «Es ist auch möglich, dass einige Gebäude bereits von dem letzten Beben im September 2019 geschwächt waren.»