Moria ist zerstört - und mehr als 12.000 Migranten über Nacht obdachlos. In Deutschland ist nun der Streit um die Aufnahme von Migranten neu entbrannt. Bislang wehrte sich dagegen vor allem einer.
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Ein Junge steht vor verbrannten Trümmern in Moria. Dem Grossbrand vorangegangen waren Unruhen unter den Migranten, weil das Lager nach einem ersten Corona-Fall unter Quarantäne gestellt worden war. Foto: Petros Giannakouris/AP/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Nach dem Brand im griechischen Flüchtlingslager Moria wächst der Druck auf Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), betroffene Migranten in Deutschland aufzunehmen.
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Mehrere Bundesländer kündigten am Mittwoch an, Betroffene aus dem Lager zu sich holen zu wollen - obwohl Seehofer das in der Vergangenheit abgelehnt hatte. Auch der Koalitionspartner SPD dringt auf eine rasche Lösung der Bundesregierung.

Das Bundesinnenministerium hielt jedoch zunächst an seiner Haltung fest. Ein Sprecher sagte am Mittwoch: «Die aktuelle Situation stellt uns vor Herausforderungen, aber das ist kein Grund, unsere bisherige Rechtsordnung infrage zu stellen.» Die stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz erklärte: «Wir brauchen eine solidarische europäische Lösung.»

Unterdessen machen die Länder Druck: Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) will bis zu 1000 Flüchtlinge aus Moria aufnehmen. «Die Bilder aus Moria sind bestürzend. Die Menschen auf der Flucht haben nach dem Feuer alles verloren, selbst das einfache Dach über dem Kopf», erklärte er seinen Vorstoss. «Hier ist schnelle humanitäre Hilfe erforderlich.»

Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) erneuerte das Angebot, Flüchtlinge aus dem Lager aufzunehmen. «Mit dieser Situation kann Griechenland nicht mehr alleine fertig werden», sagte sie. «Schleswig-Holsteins bereits früher unterbreitetes Angebot, Flüchtlingskinder und ihre Familien aus dem überfüllten Lager aufzunehmen, gilt selbstverständlich auch und gerade jetzt.»

Auch Hamburg bekräftigte seine Bereitschaft zur Aufnahme von Migranten aus Lesbos. Mit Ausnahme der AfD-Fraktion boten alle in der Bürgerschaft vertretenen Parteien und der rot-grüne Senat den Flüchtlingen Hilfe in der Hansestadt an. «Wir in Hamburg sind bereit, Geflüchtete aus den Lagern auf den griechischen Inseln aufzunehmen», sagte Senatssprecher Marcel Schweitzer der Deutschen Presse-Agentur.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) richtete einen dringenden «Appell an die Bundesregierung und die Europäische Kommission, jetzt endlich die Grenzen für diese stark belasteten und verzweifelten Frauen, Männer und Kinder zu öffnen.» Sein Land habe schon länger eine Aufnahme von Migranten aus Moria angeboten - aus rechtlichen Gründen seien ihm aber bislang die Hände gebunden gewesen.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bekräftigte ebenfalls seine Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen. «Wie schon in der Vergangenheit ist Baden-Württemberg auch jetzt bereit, im Rahmen eines deutschen Hilfsprogramms Hilfe zu leisten und Verantwortung zu übernehmen», sagte er der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten».

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schrieb bei Twitter: «Die schrecklichen Ereignisse aus Moria lassen niemanden kalt und erfordern rasche Hilfe und Solidarität.» Ganz Europa und auch Deutschland müsse helfen. «Sollte die Bundesregierung entscheiden, Menschen aufzunehmen, wird sich Bayern selbstverständlich daran beteiligen.»

Rheinland-Pfalz forderte die sofortige Aufnahme von 1000 Geflüchteten in Deutschland, 50 davon könnten nach dem Königsteiner Schlüssel in dem Bundesland untergebracht werden. Berlin will 300 Betroffene aufnehmen. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) forderte Seehofer auf, den Weg zur Aufnahme von mehr Flüchtlingen freizumachen. Auch Thüringen hatte schon vor Monaten die Aufnahme von rund 500 Geflüchteten beschlossen, scheiterte aber am Widerstand des Bundes.

Hessen sagte humanitäre Unterstützung zu. Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) rege allerdings eine bundeseinheitliche Initiative und Regelung an, sagte ein Regierungssprecher der Deutschen Presse-Agentur in Wiesbaden. «Aber die hessische Landesregierung wird ihren Beitrag zur humanitären Hilfe leisten. Einzelheiten können später noch geregelt werden.»

Auch in der SPD gibt es Forderungen nach einer raschen Reaktion der Bundesregierung. Fraktionschef Rolf Mützenich sagte: «Wir dringen auch gegenüber der Bundeskanzlerin auf eine schnelle Lösung.» Es gebe in Deutschland zahlreiche Länder und Kommunen, die sofort zur Aufnahme von Betroffenen aus Moria bereit seien. Schon bisher sei Seehofers Widerstand dagegen nicht nachvollziehbar gewesen.

SPD-Chefin Saskia Esken forderte, die Bundesregierung müsse nun den Weg für eine Aufnahme der Geflüchteten von Moria in den Kommunen freimachen. «Wir müssen umgehend Hilfe vor Ort leisten und die Menschen, darunter viele Familien und Kinder, da rausholen», schrieb sie auf Twitter. Aussenminister Heiko Maas (SPD) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) ziehen dagegen eine europäische Lösung vor.

Um Vorstösse aus einigen Bundesländern, die mehr Migranten von den griechischen Inseln aufnehmen möchten, gibt es bereits seit Längerem Unstimmigkeiten zwischen Landespolitikern und Seehofer. Dieser beharrt darauf, dass er sein Einverständnis erteilen muss, was er aber verweigert.

Insbesondere Berlin und Thüringen wollten bislang Menschen aus den überfüllten Lagern auf den griechischen Inseln mit eigenen Landesaufnahmeprogrammen nach Deutschland holen. Länder und Kommunen könnten am besten selbst beurteilen, wie vielen Menschen sie helfen könnten und wollten, so das Argument.

Allerdings ist der Bund finanziell an der Versorgung von Flüchtlingen und Asylbewerbern beteiligt. Seehofer drängt zudem darauf, dass sich andere europäische Länder stärker an der Aufnahme von Migranten aus Griechenland beteiligen.

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