Gar keinen Bock auf Kommaregeln? Werde Plakatkampagnenleiter!
Mit einem provokativen Slogan buhlt das deutsche Bundesland Baden-Württemberg um neue Lehrkräfte – und missachtet dabei die Kommaregeln. Ein Experte ordnet ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Plakat in Baden-Württemberg soll junge Menschen für den Lehrerberuf begeistern.
- Der gewählte Slogan sorgt für rote Köpfe: Er vermittle eine Geringschätzung des Berufs.
- Ausserdem unterlaufen den Marketingstrategen gleich zwei Kommafehler – absichtlich?
Jüngst sorgt das Kulturministerium des Bundeslandes Baden-Württemberg für reichlich Schlagzeilen. Ein Plakat soll junge Menschen dazu ermutigen, dem Lehrerberuf nachzugehen – mit einem kontroversen Slogan: «Gelandet und gar keinen Bock auf Arbeit morgen? Mach was dir Spass macht und werde Lehrer*in.»
Mehrere Branchenvertreter echauffieren sich über den gewählten Werbespruch – das Plakat vermittle eine «Geringschätzung des Lehrerberufs». Anderer Meinung ist hingegen die Schülervertretung des Bundeslandes: Der Slogan erfülle seinen Zweck – er wecke das Interesse am Beruf.
Fragwürdige Interpunktion?
Während zahlreiche Medien über die umstrittene Kampagne berichten, halten sich sprichwörtliche «Grammatik-Nazis» mehrheitlich bedeckt – erstaunlicherweise: Zusätzlich zum gewöhnungsbedürftigen Wortlaut der Plakataktion, ist nämlich auch die Interpunktion derselben bestenfalls fragwürdig.
Gemäss Marc-Oliver Ubl vom Institut für Germanistik der Universität Bern müsste der Slogan der Norm entsprechend mit zwei zusätzlichen Kommas versehen werden: «Mach, was dir Spass macht, und werde Lehrer*in.»
Die Imperativform «mach» fordere ein Objekt. Im vorliegenden Beispiel nehme der untergeordnete Nebensatz «was dir Spass macht» diese Objektrolle ein, weshalb ein Komma davor stehen müsse. Der übergeordnete Hauptsatz «Mach X und werde Lehrer*in» wiederum bestehe aus einer Satzreihe: Deshalb müsse auch nach dem Objektsatz ein Komma folgen, so der Experte.
Zur Veranschaulichung zieht der Sprachwissenschaftler eine kleine Veränderung des Slogans herbei: «Deutlicher wäre die Kommasetzung, wenn der Hauptsatz den Objektsatz bereits durch ein Pronomen ankündigt: Mach das, was dir Spass macht, und werde Lehrer*in.»
Bewusste Abweichung von der Norm?
Gleichzeitig betont Ubl, dass die Kommasetzung gerade im Bereich der Werbung oftmals bewusst von der Norm abweiche. Er vermutet daher, dass die Kommas in Verbindung mit der durchgängigen Grossschreibung absichtlich weggelassen wurden, um alltagssprachlicher zu wirken und junge Menschen besser anzusprechen.
Eine Binsenweisheit besagt, es gebe keine schlechte Publicity – wenigstens in diesem Sinne scheint die Strategie aufzugehen. Dennoch sollten sprachliche Normen gerade im Rahmen einer Werbekampagne für den Lehrerberuf eingehalten werden – auch ohne «Bock auf Arbeit».
Die Marketingstrategen des Bundeslandes Baden-Württemberg wissen eigentlich, wie es besser ginge: Der Werbespruch «Nett hier. Aber waren Sie schon mal in Baden-Württemberg?» ziert unzählige Gondeln, Geländer und Gipfelkreuze in aller Welt. Seit knapp zwei Jahrzehnten verteilt sich der Werbespruch in die entlegensten Ecken der Erde.
Bilder des gelben Aufklebers kursieren regelmässig in den sozialen Medien – die Sticker sind beliebt: Gemäss «Spiegel» lässt das Bundesland jährlich mehr als 35'000 Exemplare drucken. Möglicherweise auch, weil die Interpunktion in diesem Slogan normgerecht daherkommt?