Die italienische Regierung schiebt nach dem Brückenunglück in Genua (IT) dem Betreiber der Autobahn die Schuld zu.
Der grün-blaue Lastwagen steht nur wenige Meter vor dem Abgrund der eingestürzten Morandi-Brücke in Genua (I).
Der grün-blaue Lastwagen steht nur wenige Meter vor dem Abgrund der eingestürzten Morandi-Brücke in Genua (I). - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Regierung macht «Autostrade per l'Italia» für das Brückenunglück verantwortlich.
  • Dem Autobahnbetreiber drohen hohe Strafzahlungen und einen Lizenzenzug.
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Einen Tag nach dem Brückeneinsturz in Genua (IT) hat die italienische Regierung dem Autobahnbetreiber die Schuld an dem Unglück gegeben. Die Regierung drohte am Mittwoch der Firma Autostrade per l'Italia mit dem Entzug ihrer Lizenz und hohen Strafzahlungen. Vize-Ministerpräsident Luigi di Maio sagte, Instandhaltungen an der Brücke hätten nicht stattgefunden. Rettungskräfte suchten unterdessen weiter nach Opfern oder Überlebenden. Die Zahl der Todesopfer stieg auf mindestens 39.

Verkehrs- und Infrastrukturminister Danilo Toninelli forderte die Führung von Autostrade per l'Italia zum Rücktritt auf. Ausserdem prüfe die Regierung die Auflösung des Vertrags mit der Firma sowie die Forderung von Strafgeldern von bis zu 150 Millionen Euro, erklärte er im Online-Netzwerk Facebook. Toninelli begründete die Überlegungen der Regierung mit Vertragsbrüchen seitens des Unternehmens.

«Menschliches Versagen»

Auch Di Maio, Chef der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung, machte die Firma für das Unglück verantwortlich: «Die Verantwortlichen haben einen Namen und einen Vornamen und es sind Autostrade per l'Italia», sagte er im italienischen Radio. Die Brücke sei eingestürzt, weil die Wartung nicht erfolgt sei. «Es war kein Schicksal, es war menschliches Versagen», sagte auch der Staatsanwalt von Genua (IT), Francesco Cozzi.

Di Maio ergänzte: «Jahrelang hat man gesagt, dass Privatunternehmen besser die Autobahnen verwalten können als der Staat. Jetzt haben wir einen der grössten europäischen Lizenzinhaber, der uns sagt, dass die Brücke sicher war.»

Überprüfung der gesamten Infrastruktur

Ebenso wie Toninelli besuchte auch Di Maio am Mittwoch den Unglücksort. Am Nachmittag wurde Innenminister Matteo Salvini erwartet. Ministerpräsident Giuseppe Conte hatte am Dienstagabend bei einem Besuch am Unglücksort eine Überprüfung der «gesamten Infrastruktur» im Land gefordert. An der Stabilität der Morandi-Brücke hatten Experten schon länger Zweifel geäussert.

Hunderte Feuerwehrleute durchkämmten auch am Mittwoch mit Hilfe von Spürhunden und Baggern die Trümmer der Morandi-Brücke. Hatte am Dienstag Regen die Bergungsarbeiten erschwert, waren es danach die Dunkelheit und schliesslich am Mittwoch die brennende Sonne.

Die Zahl der Toten stieg auf 39, wie der italienische Zivilschutz mitteilte. Mehrere Menschen würden vermisst und es gebe 15 Verletzte. Laut Salvini sind unter den Toten drei Kinder im Alter von acht, zwölf und 13 Jahren. Vier Franzosen und drei Chilenen kamen nach diplomatischen Angaben aus beiden Ländern ums Leben.

Die vierspurige Morandi-Brücke im Westen von Genua (IT) war auf einer Strecke von mehr als 200 Metern eingestürzt, wie Luftaufnahmen zeigen. Etwa 35 Autos und drei Lastwagen stürzten etwa 45 Meter in die Tiefe und wurden teils unter Betontrümmern begraben.

1967 fertiggestellt

Die 1967 fertiggestellte Brücke überspannte dutzende Bahngleise sowie ein Gewerbegebiet mit Gebäuden und Fabriken. Zum Unglückszeitpunkt wurden Wartungsarbeiten an der Brücke vorgenommen, überdies gab es ein Unwetter.

Die rund 400 aus den umliegenden Häusern in Sicherheit gebrachten Anwohner durften wegen der Einsturzgefahr der restlichen Brückenteile zunächst nicht in ihre Wohnungen zurückkehren. Polizisten wiesen am frühen Mittwochmorgen dutzende Menschen zurück, die vor einem Absperrband darum baten, wenigstens persönliche Dinge holen zu dürfen.

Die Autobahnbrücke liegt auf der sogenannten Blumenautobahn A10, einer auch von zahlreichen Touristen genutzten wichtigen Verkehrsachse an der italienischen Riviera, die Genua (IT) mit Ventimiglia an der französischen Grenze verbindet. Um Informationen über mögliche deutsche Opfer zu erhalten, hatte das deutsche Generalkonsulat in Mailand am Dienstag einen Krisenstab in Genua (IT) eingerichtet.

Papst Franziskus drückte den Opfern und deren Angehörigen sein Mitgefühl aus. In seiner Predigt zu Mariä Himmelfahrt sprach er vor tausenden Gläubigen auf dem Petersplatz in Rom von einer «Tragödie».

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