Geräuschlose Premiere bei deutschen Sondierungen
CDU, CSU und SPD loteten fast viereinhalb Stunden eine Regierungsbildung aus. Die Sondierungen werden nächste Woche fortgesetzt.
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Fast viereinhalb Stunden haben Christdemokraten und Sozialdemokraten in Deutschland hinter verschlossenen Türen die Möglichkeiten für die Bildung einer schwarz-roten Bundesregierung ausgelotet. «Die Sondierungsrunde trifft sich kommende Woche wieder.»
Dies teilten die Generalsekretäre von CDU, CSU und SPD, Carsten Linnemann, Martin Huber und Matthias Miersch, in einer Stellungnahme mit. Vor den Kameras äusserte sich aus den Verhandlungsteams zunächst niemand. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur soll die nächste Runde spätestens am Donnerstag stattfinden, im Gespräch ist auch der Dienstag.
Konstruktive Atmosphäre mit Fokus auf aktuelle Haushaltslage
«Die Sondierungsgespräche haben in einer offenen und konstruktiven Atmosphäre begonnen», hiess es weiter. Zum Inhalt der Beratungen wurden keine Details genannt – nur, dass Bundesfinanzminister Jörg Kukies (SPD) der Runde einen Überblick über die Haushaltslage gegeben habe.
Gegen 10 Uhr hatten am Vormittag die ersten Gespräche begonnen. Führende Vertreter der drei Parteien waren dazu in Berlin in einem Gebäude des Bundestags, dem Jakob-Kaiser-Haus, eingetroffen. Vor der achtzehnköpfigen grossen Runde hatten sich die Spitzen von CDU/CSU und SPD zunächst knapp eine Stunde lang in einer kleinen Runde ausgetauscht.
Daran nahmen neben den Parteichefs Friedrich Merz (CDU), Markus Söder (CSU), Lars Klingbeil und Saskia Esken (beide SPD) auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (CSU), CDU/CSU-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) und SPD-Generalsekretär Matthias Miersch (SPD) teil. Dem Vernehmen nach sollte es bei dem ersten Treffen nur fünf Tage nach der Bundestagswahl auch darum gehen, atmosphärische Unstimmigkeiten aus dem Wahlkampf zu bereinigen. Die Rede war auch davon, «ein Gefühl füreinander zu entwickeln».
Umfrage: Einige SPD-Abgeordnete wollen keinen Kanzler Merz
Wie dringend ein neues Miteinander notwendig ist, zeigt eine Umfrage der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung». Demnach gibt es unter den 120 SPD-Abgeordneten im neuen Bundestag mindestens acht, die ein Problem damit haben, Merz zum Bundeskanzler zu wählen.
Die Koalition von SPD und Union hätte aber nur eine knappe Mehrheit von zwölf Stimmen. Weshalb die Kanzlermehrheit aktuell noch alles andere als gesichert ist. «Ich muss Friedrich Merz meine Stimme nicht geben, wenn er zum Bundeskanzler gewählt werden sollte. Ich bin nur meinem Gewissen verpflichtet», zitierte die Zeitung den SPD-Abgeordneten Sebastian Roloff.
Er bezifferte die Zahl der SPD-Abgeordneten, die Merz kritisch gegenüberstünden sogar auf «drei Hände voll». Sie begründeten ihre Zweifel nach Angaben der Zeitung auch mit dem Verhalten der Union bei einer Migrationsabstimmung im Bundestag Ende Januar und einer daraus abgeleiteten fehlenden Verlässlichkeit der Christdemokraten.
Merz will Regierung bis Ostern
Für die CDU/CSU sassen nach dpa-Informationen in der grossen Runde auch die Generalsekretäre Carsten Linnemann (CDU) und Martin Huber (CSU) am Tisch. Hinzu kamen Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), die stellvertretende CDU-Vorsitzende Karin Prien und CSU-Vize Dorothee Bär.
Für die SPD sondierten zudem Verteidigungsminister Boris Pistorius und Arbeitsminister Hubertus Heil. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, die beiden Ministerpräsidentinnen Manuela Schwesig und Anke Rehlinger sowie der Chef der NRW-SPD, Haushaltsexperte Achim Post, waren auch im Verhandlungsteam.
Bei dem Treffen ging es auch darum, den weiteren Zeitplan und das weitere Vorgehen abzustecken. Merz hat wiederholt deutlich gemacht, dass er angesichts der grossen Herausforderungen keine Zeit verlieren und bis Ostern eine Regierung bilden möchte. Klingbeil betonte aber wiederholt, es gebe keinen Automatismus einer Regierungsbeteiligung der SPD.
Alle Seiten müssten sich bewegen und zusammenraufen
Auf die Inhalte der Gespräche wollte Schwesig aber nicht eingehen, «vor die Klammer muss gezogen werden Vertrauen und Verlässlichkeit». Dies sei eine Lehre aus der gescheiterten Ampel-Regierung. Dauerstreit schade nicht nur alle Akteuren, sondern auch der Demokratie.
«Beide Seiten müssen aufeinander zugehen. Alle müssen sich zusammenraufen und bewegen.» Mit Blick auf die angespannte Finanzlage sagte Schwesig, es brauche solide Finanzen und Spielräume, um die Wirtschaft zu unterstützen, um die Energiewende «hinzubekommen» und für die «grossen Themen Sicherheit und Bundeswehr».
Eine Regierung aus drei Parteien, aber nur zwei Fraktionen
Es geht um eine Regierung aus drei Parteien, aber nur zwei Fraktionen. Die CSU ist die bayerische Schwesterpartei der CDU von Friedrich Merz. Sie tritt nur in Bayern an, die CDU nur in den übrigen 15 Bundesländern.
Merz ist gemeinsamer Kanzlerkandidat beider Parteien. Im neuen Bundestag sitzen ingesamt fünf Fraktionen. Die rechtspopulistische AfD, die Grünen und die Linke wären im Falle einer Einigung auf Schwarz-Rot die Opposition.