Städte: Werden mit Grundsteuer nicht die Haushalte sanieren
Gibt es bei der neuen Grundsteuer in bestimmten Fällen drastische Steuererhöhungen? Beispielrechnungen sorgen für Wirbel. Der Städtetag kritisiert, ein zentraler Hebel werde darin nicht berücksichtigt. Bis das Gesetz ins Kabinett kommt, könnte es noch dauern.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Deutsche Städtetag versucht, Mietern und Hausbesitzern Angst vor drastischen Steuererhöhungen im Zuge der Reform der Grundsteuer zu nehmen.
«Die Kommunen werden ihre Hebesätze so verändern, dass etwa die heutigen Einnahmen erreicht werden», sagte Verena Göppert, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Städtetages, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Sie wollen die Reform nicht dazu benutzen, ihre Haushalte zu sanieren.»
Hintergrund sind Beispielrechnungen des Eigentümerverbands Haus & Grund, wonach es nach den Plänen von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) zur neuen Grundsteuer in bestimmten Fällen zu drastischen Steuererhöhungen kommen kann.
Göppert sagte, die Beispielrechnungen hätten zwei grosse Schwächen: «Sie betrachten vor allem aussergewöhnliche Fälle, in denen die Grundsteuer aufgrund der veralteten Grundstückswerte bisher sehr niedrig war. Ausserdem berücksichtigen diese Zahlen nicht die künftigen Hebesätze der Kommunen, die in vielen Fällen neu festgelegt werden.» Die Beispiele bildeten daher keinesfalls realistisch ab, wie sich der durchschnittliche Grundsteuer-Betrag für Menschen mit Eigenheim oder für Mieterinnen und Mieter entwickeln werde.
Das Bundesverfassungsgericht hatte wegen völlig veralteter Bemessungsgrundlagen eine Neuregelung der Grundsteuer bis Ende 2019 verlangt. Aktuell werden noch Grundstückswerte von 1935 in Ostdeutschland und von 1964 in Westdeutschland genutzt. Die Grundstücke sollen nun zum 1. Januar 2022 neu bewertet werden, danach alle sieben Jahre. Dabei sollen vor allem der Wert des Bodens und die durchschnittliche Miete eine Rolle spielen.
Damit diese erste Neubewertung nach Jahrzehnten nicht zu massiven Anstiegen bei der Steuer führt, will Scholz die sogenannte Steuermesszahl massiv senken. Ausserdem geht Scholz davon aus, dass die Kommunen einen weiteren Berechnungsfaktor senken, den Hebesatz. Auf diese Weise soll es unterm Strich insgesamt keine grossen Mehrbelastungen von Mietern und Hausbesitzern geben. Die Grundsteuer ist mit Einnahmen von rund 14 Milliarden Euro pro Jahr eine der wichtigsten Einnahmequellen für die Kommunen.
«Die Städte haben frühzeitig erklärt, dass die Reform der Grundsteuer aufkommensneutral sein soll», sagte Göppert. «Hier gibt es eine gemeinsame Linie von Bund, Ländern und Kommunen.» Es gehe darum, das Volumen der Grundsteuer durch die Reform auch in Zukunft zu sichern. Die Kommunen bräuchten das Aufkommen auch nach der Reform, um Teile ihrer Infrastruktur für die Bürger zu finanzieren, zum Beispiel Schulen und Schwimmbäder.
Die alte Grundsteuer beruhe auf völlig veralteten Grundstückswerten. «Deshalb ist es nicht verwunderlich, wenn der einzelne Steuerbescheid nach einer Reform mal niedriger oder höher ausfallen kann. Insgesamt aber geht es nicht um eine höhere Grundsteuer, sondern um mehr Steuergerechtigkeit.»
Auch das Finanzministerium hatte die Berechnungen von Haus & Grund scharf zurückgewiesen. Der Verband habe die von Bürgermeistern allerorten angekündigte Absenkung der Hebesätze bewusst unterschlagen. «Mit seriösen Berechnungen hat das nichts zu tun - das ist Propaganda.»
Unterdessen wackelt der Zeitplan von Finanzminister Scholz - das Kabinett könnte sich später mit dem Gesetzentwurf befassen als ursprünglich geplant. Die «Wirtschaftswoche» berichtete am Mittwoch, der Gesetzentwurf werde aller Voraussicht nach nicht wie geplant am 30. April vom Kabinett verabschiedet. Scholz plane zudem eine Veranstaltung mit Verfassungsrechtlern. Er reagiere damit auf Bedenken, dass sein Reformentwurf gegen das Grundgesetz verstosse. Eine Sprecherin von Scholz wollte am Mittwoch keine Stellungnahme zum Zeitplan abgeben. Sie sagte aber, es liege dem Ministerium daran, eine verfassungskonforme Reform auf den Weg zu bringen.
Die Unionsbundestagsfraktion und Bayern haben grundsätzliche Bedenken und wollen eine Länder-Öffnungsklausel. Der CDU-Baupolitiker Kai Wegner bezeichnete Scholz' Grundsteuerpläne am Mittwoch als einen Angriff auf das bezahlbare Wohnen. «Wenn gerade in den überhitzten Wohnungsmärkten die Kosten sehenden Auges in die Höhe getrieben werden, ist das ein sozialpolitischer Irrweg.» FDP-Fraktionsvize Christian Dürr sagte: «Die Menschen in Deutschland brauchen eine Entscheidung, denn für sie wird es eine markante Veränderung geben.» Scholz müsse für Planungssicherheit sorgen.