IKRK-Präsidentin: Lage von Frauen in Konflikten beobachten
In Konflikten leidet die gesamte Zivilbevölkerung, aber Frauen sind besonders gefährdet. Ihre Lage müsse besonders beobachtet werden, sagt die IKRK-Präsidentin.
Das Wichtigste in Kürze
- Mirjana Spoljaric ist die erste Präsidentin des IKRK.
- Ihr Anliegen ist es, den Blick auf die Lage von Frauen in Konflikten zu schärfen.
- Sie seien solchen Situationen besonders gefährdet.
Als erste Frau an der Spitze des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) will Mirjana Spoljaric den Blick auf die Situation von Frauen in Konflikten schärfen.
«Es ist meine Aufgabe, darauf hinzuweisen, wenn Frauen in einer Konfliktsituation stärker benachteiligt sind als Männer», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur und dem ARD-Hörfunk.
Sie habe einen spezifischen Blick auf die Frauen. «Das war möglicherweise bei meinen Vorgängern nicht so stark der Fall, auch, weil sie oft gar keinen Zugang zu den Frauen hatten», sagte sie. In Flüchtlingslagern könne sie leichter auf Frauen zugehen. Spoljaric räumte auch ein, dass das IKRK wegen Kritik aus der Ukraine einen Imageschaden habe.
Es geht um Gesundheit, Bildung und Schutz vor Gewalt
«Tatsache ist: Frauen sterben in Konfliktgebieten bei der Geburt. Frauen haben weniger Mittel, um sich bei der Flucht oder in einer Konfliktsituation zu schützen oder in sicherere Zonen zu retten. Frauen, vor allem kleine Mädchen, werden schneller aus den Schulen rausgenommen. Kleine Mädchen werden in Konfliktgebieten schneller verheiratet. Sie werden zum Teil ja auch verkauft, um die Familie zu retten», sagte Spoljaric, die seit dem 1. Oktober IKRK-Präsidentin der 1863 gegründeten Organisation ist.
«Sexuelle Gewalt ist ein grosses Problem in Konflikten und auch hier müssen wir mehr tun.» Frauen würden in Konflikten gezielt missbraucht, misshandelt und verschleppt.
Die deutsche Bundesregierung hatte in Berlin vor kurzem Leitlinien für eine feministische Aussenpolitik vorgestellt. Aussen- und Entwicklungspolitik sollen sich künftig an der Verwirklichung von Frauenrechten ausrichten.
Die Situation in Afghanistan ist für Hilfsorganisationen besonders schwierig. Dort schliessen die militant-islamistischen Taliban Frauen immer weiter vom Gesellschaftsleben aus und verbieten ihnen etwa die Arbeit für Nichtregierungsorganisationen. Die IKRK-Programme liefen aber weiter, sagte Spoljaric. «Wir halten unseren vertraulichen und bilateralen Dialog mit den Behörden aufrecht, um sicherzustellen, dass wir unsere humanitäre Arbeit weiterhin in vollem Umfang durchführen können.» Das sei nur mit den Bemühungen aller Mitarbeiter, «einschliesslich der Frauen» möglich.
Völkerrechtsverstösse im Ukraine-Krieg
Der vertrauliche Dialog und die strikte Neutralität ohne öffentliche Kritik an Regierenden bringen dem IKRK oft negative Schlagzeilen. Die Regierung in Kiew beschwert sich seit langem, das IKRK tue nicht genug, um Ukrainer in russischer Kriegsgefangenschaft zu besuchen. Nach dem weltweit gültigen humanitären Völkerrecht müssten alle Länder dem IKRK Zugang zu allen Gefangenen gewähren.
Russland gibt aber oft nicht die nötigen Sicherheitsgarantien für IKRK-Mitarbeiter. «Wir haben nicht den umfassenden Zugang, den wir möchten, aber wir sind die Einzigen, die überhaupt Zugang haben», sagte Spoljaric. In 4000 Fällen seien Kontakte mit Familien hergestellt worden.
«Wir sind unbewaffnet. Das heisst, wir fordern Zugang zu allen Kriegsgefangenen, aber wir können es nicht erzwingen», sagte sie. «Die Verpflichtung zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts liegt bei den Staaten.» Nun sei es aber auch so, dass vor allem Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht bekannt würden.
Aber das IKRK arbeite jeden Tag erfolgreich in rund 100 Konfliktgebieten. Wie überall komme es auch in der Ukraine wegen seiner besonderen Aufgabe immer näher an die Frontlinie als alle anderen Organisationen. «Das können wir tun, weil die Konfliktparteien uns diese Rolle auch weiterhin zugestehen.»
Die Kritik aus der Ukraine macht dem IKRK zu schaffen, räumte sie ein: «Der Imageschaden ist sicher ein Problem für uns.» Allerdings gehöre das zum Geschäft: «Wenn man dort ist, um zu helfen, wird man auch kritisiert, weil man nie alle erreichen kann.»