Immunität gilt bei Corona-Infektion nicht automatisch
Das Wichtigste in Kürze
- Bei vielen Menschen tritt nach einer Corona-Infektion keine Immunität auf.
- Studien konnten bei einigen keine Antikörper im Blut nachweisen.
In der Corona-Pandemie hoffen viele Menschen auf Immunität – nach überstandener Infektion oder durch eine bald verfügbare Impfung. Beides könnte das Immunsystem gegen den Erreger wappnen und Menschen vor der Krankheit Covid-19 schützen.
Nun aber deuten viele Studien auf etwas anderes hin. Gerade bei Menschen, die kaum Symptome hatten, sind schon bald nach einer Infektion keine Antikörper im Blut mehr nachweisbar.
Verständnis über Immunität unklar
Zwar ist noch unklar, was das für eine mögliche Immunität bedeutet. Doch die Beobachtungen wecken Zweifel an der Aussagekraft von Antikörper-Tests und an den derzeit diskutierten Immunitätspässen. Auch für die Entwicklung eines Impfstoffs wäre ein möglichst genaues Verständnis der Immunantwort auf Sars-CoV-2 zentral.
Die Immunantwort scheint bei Menschen uneinheitlich auszufallen. Grundsätzlich kann das Immunsystem etwa mit sogenannten T-Zellen auf Krankheitserreger reagieren. Manche T-Zellen aktivieren B-Zellen, die dann Antikörper bilden. Antikörper binden an bestimmte Merkmale von Erregern und können diese so inaktivieren.
Auf den ersten Blick scheint das Vorhandensein spezieller Antikörper ein guter Hinweis auf eine frühere Infektion zu sein. Allerdings fand eine Untersuchung des
bei Menschen mit milden oder asymptomatischen Verläufen keine sogenannten IgG-Antikörper im Blut. Diese sind wichtig für das Immungedächtnis – damit das Immunsystem bei erneutem Kontakt mit dem Erreger stärker und schneller reagiert. Die Studie ist bislang nur ein Preprint – ist also weder von Experten begutachtet noch in einem Fachjournal publiziert.
Untersuchungen der Antikörper verunsichern Forscher
Eine weitere als Preprint veröffentlichte Untersuchung fand bei 30 Prozent von 110 Corona-Infizierten mit ebenfalls höchstens mässigen Covid-19-Symptomen keine Antikörper. Und im Fachblatt «Nature Medicine» berichten Forscher aus China, dass bei Infizierten ohne Symptome die Antikörper-Konzentration im Blut deutlich sank.
Solche Studien lassen die Aussagekraft von Antikörper-Massentests, die das Ausmass der Corona-Infektionswelle in der Bevölkerung klären sollen, fraglich erscheinen. Zudem könnte eine durch Antikörper gegebene Immunität bei vielen Sars-CoV-2-Infizierten schon nach kurzer Zeit wegfallen.
Antikörper haben verschiedene Qualitäten
Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), betont, man müsse bei Antikörpern differenzieren: «Es gibt bei Antikörpern verschiedene Qualitäten, und nicht alle verhindern eine Infektion.» Wichtig sei hier, harte Daten zu finden: «Ob ein Immunschutz entsteht, muss an der Realität gemessen werden.»
Ebenso wenig überraschen Jacobs die Studienresultate, dass gerade bei asymptomatischen Erkrankungen schnell wenige oder gar keine Antikörper mehr auffindbar sind: «Wenige Viren im Hals- und Rachenbereich genügen wahrscheinlich nicht, um eine grosse Antikörper-Antwort oder T-Zellen-Immunität auszulösen.»
Für das Immunsystem habe diese angepasste Reaktion durchaus Sinn, da wir im Alltag ständig Pathogenen ausgesetzt seien: «Wenn wir mit leichten Waffen antworten können, brauchen wir keine schweren Geschütze auffahren.» Bei Covid-19-Erkrankungen mit schwereren Symptomen werde indes vermutlich schon ein längerfristiger Schutz aufgebaut.