Italien befindet sich wegen Coronavirus im Krisenmodus
Das Wichtigste in Kürze
- In Italien steigen die Coronavirus-Fallzahlen rasant an.
- Inzwischen gibt es über 130 Infizierte, drei Menschen sind gestorben.
- Auch im nahegelegenen Tessin ist erhöhte Wachsamkeit angesagt.
Mit drastischen Massnahmen wie Sperrzonen will Italien die rasante Ausbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 stoppen. Mehrere Gemeinden in Norditalien wurden abgeriegelt.
«Das Ziel ist es, die Gesundheit der italienischen Bevölkerung zu schützen», sagte Ministerpräsident Giuseppe Conte nach einer Krisensitzung in der Nacht zu Sonntag. Zunächst sollten Sicherheitskräfte die Regionen abriegeln. «Wenn nötig, werden es auch die Streitkräfte sein.» Wer versuche, die Absperrungen zu umgehen, dem drohe strafrechtliche Verfolgung.
In vielen Städten und Gemeinden wurden Schulen, Universitäten und ein Grossteil der Geschäfte geschlossen. Grossveranstaltungen wie Gottesdienste, Karnevalsfeste und Sportevents wurden abgesagt.
Über 150 Infizierte und drei Tote in Italien
Die Zahl der Infizierten war in Italien über das Wochenende überraschend stark angestiegen. Bis zum Sonntagnachmittag waren es bereits mehr als 150 Fälle, wie der Zivilschutz am Sonntagabend mitteilte. Zudem seien drei Menschen gestorben. Bei den Todesopfern handelt es sich jeweils um ältere Personen, die mit dem Virus infiziert waren.
Die meisten der Infizierten gibt es in der Lombardei. Es folgen die Regionen Venetien, Emilia-Romagna, Piemont und Latium. Auch unter den Infizierten soll sich ein 17-Jähriger aus Veltlin befinden, wie «La Repubblica» berichtet. Die Ortschaft liegt nur wenige Kilometer von der Schweizer Grenze entfernt.
Kein Wunder also zeigen sich mehrere Tessiner Politiker besorgt. Lega-Nationalrat Lorenzo Quadri fordert in einem Blogpost am heutigen Sonntag gar die Schliessung der Grenzen. Täglich würden 70'000 Gastarbeiter das Tessin besuchen. Auch wenn nicht klar sei, ob diese aus den infizierten Regionen kämen.
Grenzgängern, die im Dienstleistungssektor arbeiten, solle der Zugang verweigert werden. Wer das ablehne, gefährde laut Quadri die öffentliche Sicherheit.
Tessiner Spitäler ergreifen erste Massnahmen
Auch Tessiner Spitäler reagieren auf die Nachrichten aus dem Nachbarland. Kantonsarzt Giorgio Merlani erklärte am Sonntag, dass man die Lage und Entwicklung analysiere. «Die ganze Angelegenheit ist grösser als es anfänglich schien», sagte er.
Derweil haben die Notaufnahmen der Tessiner Spitäler bereits reagiert. Personen mit Grippesymptomen werden isoliert und in Quarantäne gebracht, wie die Sonntagszeitung «Il caffè della domenica» in ihrer heutigen Ausgabe berichtet. Dies gilt für alle Patienten mit solchen Symptomen. Bisher war dies nur für Patienten vorgesehen, die sich in jüngster Zeit in China aufgehalten hatten.
BAG und SBB halten vorerst die Füsse still
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ergreift trotz der zunehmenden Anzahl an Coronavirus-Erkrankten in Italien bislang keine weiteren Massnahmen. Die Schweizer Behörden beobachten die Situation in Italien «genau». Das teilte das BAG am Sonntag der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit.
Die Situation könne sich jedoch schnell ändern. In Bezug auf die Situation in Italien sagte das BAG, dass es sich um einen lokalen Ausbruch handle, der mit allen Mitteln unter Kontrolle gebracht werden müsse.
Auch die SBB hat bezüglich des grenzüberschreitenden Schienenverkehrs aktuell keine Massnahme getroffen. «Wir stehen in engem Kontakt mit dem BAG, welches Empfehlungen abgibt und Massnahmen anordnet», sagte Daniele Pallecchi, Mediensprecher der SBB.
Für den grenzüberschreitenden Schienenverkehr müssten einheitliche Massnahmen gelten, da sich das Streckennetz zahlreicher anderer Transportunternehmen wie jenes der Rhätischen Bahn, der Deutschen Bahn und des Flixbus über die Grenzen erstrecke.
Österreich stellt Zugverkehr nach Italien komplett ein
Auch in Österreich macht sich die Angst vor dem Coronavirus breit. Das Land hat deshalb den Zugverkehr mit Italien komplett eingestellt. Die staatliche österreichische Eisenbahngesellschaft ÖBB teilte am Sonntagabend mit, alle Zugverbindungen mit dem Nachbarland seien ausgesetzt. Wie lange die Sperre anhält, sei noch nicht klar.
Zuvor berichtete das österreichische Portal «Oe24», dass ein Zug aus Italien an der Brenner-Grenze angehalten werden musste. Der Grund: Zwei Personen mit Fieber würden sich an Bord befinden. Es bestehe deshalb der Verdacht auf eine Infizierung mit dem Coronavirus.
Nach Angaben des österreichischen Innenministers Karl Nehammer sei der Zug von Venedig (I) nach München (D) unterwegs gewesen und befinde sich aktuell immer noch am Grenzbahnhof des Brenners auf italienischem Staatsgebiet.
Hunderte sitzen fest
Rund 500 Passagiere - mehrheitlich Österreicher und Deutsche - sitzen an Bord von zwei italienischen Zügen am Brenner fest.
Der Südtiroler Zivilschutz sei im Einsatz, um die Reisenden mit Decken und warmen Getränken zu versorgen, berichtete die Bozner Polizei am späten Sonntagabend der APA. Noch unklar ist, ob und wann die Züge wieder weiterfahren können.
Italien weist die meisten Infizierten in Europa auf
Das Ausmass des Ausbruchs in Italien erschreckt. Zum Vergleich: In Deutschland wurden bisher 16 Fälle gemeldet, in Frankreich zwölf. Italiens Vize-Gesundheitsminister Pierpaolo Sileri sagte dem Sender SkyTG24, er gehe von weiter steigenden Fallzahlen aus. «Es ist klar, dass wir mehr Fälle haben werden.»
Noch weitgehend unklar ist die Situation im Iran. Bis Sonntag waren dort 40 Infektionen erfasst. Acht Menschen starben bisher an Covid-19, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Die tatsächlichen Fallzahlen könnten aber weitaus höher liegen, wird befürchtet. Nach Angaben des Ministeriums wurden in mehreren Städten die Schulen und Universitäten vorläufig geschlossen. Auch Kinos bleiben bis auf weiteres zu, Theater- und Konzertveranstaltungen wurden abgesagt.
Ursprungsland China fürchtet «grösste Gesundheitskrise»
In China, dem Ursprungsland von Covid-19, lag die Zahl offiziell erfasster Infektionen am Sonntag bei rund 77'000, mehr als 2400 Menschen starben demnach an der Lungenerkrankung. Experten gehen aber von einer hohen Dunkelziffer nicht erfasster Fälle aus.
Die Epidemie sei «der grösste öffentliche Gesundheitsnotstand mit der schnellsten Verbreitung, dem breitesten Ausmass an Infektionen und der schwierigsten Vorbeugung und Kontrolle seit der Gründung des neuen Chinas», sagte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping am Sonntag.
«Die gegenwärtige Lage der Epidemie ist düster und kompliziert, und Vorbeugung und Kontrolle stecken in der kritischsten Phase.» Die Epidemie werde «grosse Auswirkungen auf die Wirtschaft und Gesellschaft» haben, so Xi Jinping. Er halte diese aber für «vorübergehend und beherrschbar», da die Grundlagen für die langfristige wirtschaftliche Entwicklung China unverändert seien.