Kampf gegen Rechts: Deutscher Beitrag beim Filmfest Venedig
In den Wettbewerb des Venedig-Festivals hat es auch die deutsche Regisseurin Julia von Heinz geschafft. Sie zeigt einen sehr politischen Film. «2020 scheint das richtige Jahr zu sein, um damit ins Kino und auf die Festivals zu gehen», sagt sie.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Filmfest Venedig ist derzeit nicht nur wegen der Corona-Pandemie ein Ausnahmejahrgang.
Auch was die Beteiligung von Frauen angeht, setzen diese Festspiele neue Massstäbe: Bei 8 von 18 Wettbewerbsbeiträgen führte eine Frau Regie.
Einen so grossen Anteil gab es in den vergangenen Jahren bei keinem der weltweit wichtigen Festivals. Zu diesen Regisseurinnen gehört auch die Deutsche Julia von Heinz - für die es an diesem Donnerstag spannend wurde. Da ging ihr Politdrama «Und morgen die ganze Welt» ins Rennen um den Goldenen Löwen.
Die Bezüge zu aktuellen Entwicklungen sind unübersehbar: Angriffe auf Flüchtlinge, rechter Terror, mehr und mehr Zuspruch für die Ideen der populistisch agierenden Partei, die gegen alles Fremde hetzt - das ist die Ausgangslage in «Und morgen die ganze Welt». Die junge Jurastudentin Luisa (Mala Emde, «303») will nicht weiter tatenlos zusehen und schliesst sich einer Antifa-Gruppe an.
«Rechtsradikale Strömungen sind kein neues Phänomen, sind aber in den letzten Jahren noch präsenter geworden, noch weiter in der Mitte der Gesellschaft angekommen», erklärte die 44 Jahre alte Regisseurin im Interview der Nachrichtenagentur dpa vor der Premiere des Films. «Die Idee zu diesem Stoff existiert schon seit vielen Jahren, aber 2020 scheint das richtige Jahr zu sein, um damit ins Kino und auf die Festivals zu gehen.»
Von Heinz war früher selbst linke Aktivistin, wie sie bei der Pressekonferenz in Venedig berichtete. Dort trugen sie und ihr Team Gesichtsmasken mit Namen von Opfern rechter Gewalt wie Silvio Meier. Wie genau ihre Antifa-Erfahrungen in diesen Film einflossen, verriet sie nicht. In ihrem Drama fokussiert sie nun auf Luisa, die ihren eigenen Weg finden muss. Im Leben genauso wie im Kampf gegen Rechts. Vor allem bei der Frage nach Gewalt zerstreitet sich die Gruppe - während Luisa schnell dazu bereit ist, wehren sich andere Antifa-Mitglieder vehement gegen Gewalt.
«Ich habe schon länger das Gefühl, dass es mir nicht mehr ausreicht, Filme über rein private Themen oder zur reinen Unterhaltung zu drehen», ergänzte die Filmemacherin von Heinz im dpa-Interview. «Man meint derzeit, eingreifen zu müssen in eine Entwicklung, der man nicht tatenlos zusehen kann. Mein Mittel ist der Film, und ich bin froh, dass ich dieses Ausdrucksmittel habe.»
«Und morgen die ganze Welt», der Ende Oktober in die Kinos kommen soll, thematisiert in knapp zwei Stunden wichtige Fragen: Wann sollte, wann muss jeder von uns aufstehen, die Stimme erheben und dafür kämpfen, dass dieses Land mit all seinen Freiheiten geschützt wird? Die Regisseurin von Heinz stellt ihrem Werk einen Auszug aus Artikel 20 des Grundgesetzes voraus: «Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist». Schnell wird im Film klar, dass das von unterschiedlichen Seiten - rechts wie links - anders interpretiert wird.
Gedanken wie diese können durchaus zum Nachdenken anregen. Von Heinz lässt einen älteren, desillusionierten Aktivisten genauso zu Wort kommen wie Luisas wohlhabende, bürgerliche Eltern. Dennoch bleibt die Figur der Luisa etwas blass. Warum geht sie zur Antifa? Warum jetzt? Warum wendet sie so schnell Gewalt an? Einiges davon deutet «Und morgen die ganze Welt» an, lässt aber letztendlich manches offen. Ob die Festivaljury um Cate Blanchett und mit dem deutschen Filmemacher Christian Petzold das preiswürdig findet - das wird am Samstagabend bekannt, wenn beim ältesten Festival der Welt die Hauptpreise vergeben werden.