Tagelange Proteste, schwere Krawalle: Im Katalonien-Konflikt stehen die Zeichen auf Sturm. Kann die spanische Regierung den Ruf nach Dialog weiter in den Wind schlagen?
In der Innenstadt von Barcelona stehen sich Demonstranten und Polizisten gegenüber. Foto: Germán Lama/Europa Press/dpa
In der Innenstadt von Barcelona stehen sich Demonstranten und Polizisten gegenüber. Foto: Germán Lama/Europa Press/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Nach sechs Protesttagen in Folge mit zum Teil schweren Ausschreitungen haben sich die Fronten im katalanischen Unabhängigkeitskonflikt weiter verhärtet.
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Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez wies am Wochenende ein Gesprächsangebot des separatistischen Regionalpräsidenten Quim Torra zurück. Unabhängige Seiten riefen daraufhin zum Dialog auf.

Es müsse «einen wirklichen, ruhigen, diskreten und respektvollen Dialog» geben, forderte am Sonntag Ada Colau, die linksgerichtete Bürgermeisterin der von den Unruhen besonders erschütterten Regionalhauptstadt Barcelona. Medien berichteten, dass katalanische Gewerkschaften und Unternehmerverbände ein gemeinsames Kommuniqué vorbereiten, in dem zur «Besonnenheit» aufgerufen und ein «sozialer Pakt» angekündigt werde.

Die katalanischen Separatisten hatten am Samstagabend erneut gegen langjährige Haftstrafen für neun Führer der Unabhängigkeitsbewegung protestiert. Rund 6000 Menschen versammelten sich nach Medienschätzungen im Zentrum Barcelonas. Es war der sechste Protesttag in Folge in der abtrünnigen Region im Nordosten Spaniens, nachdem das Oberste Gericht am vorigen Montag die Haftstrafen von bis zu 13 Jahren bekanntgegeben hatte.

Mehrere Dutzend vermummte Demonstranten errichteten in der Nähe des Polizeipräsidiums in Barcelona wieder brennende Barrikaden. Sie setzten dafür unter anderem Müllcontainer in Brand. Sie bewarfen die zahlreichen Polizisten auch vereinzelt mit Gegenständen. Im Gegensatz zu den Abenden zuvor hielten sich die Unruhen am Samstag aber in Grenzen. Gemässigtere Demonstranten hätten beschwichtigend eingegriffen, berichtete der staatliche Fernsehsender RTVE.

Auch im Zentrum der spanischen Hauptstadt Madrid gingen am Samstag nach Medienschätzung rund 4000 Menschen aus Solidarität mit den katalanischen Separatisten auf die Strasse. Es kam dabei zu Zusammenstössen mit der Polizei, bei der nach amtlichen Angaben 15 Demonstranten und elf Beamte verletzt wurden. Ein Mann sei zudem festgenommen worden, teilten die Behörden mit.

Erst in der Nacht von Freitag auf Samstag hatte Barcelona die gewalttätigste Nacht seit Beginn der Proteste erlebt. In ganz Katalonien gab es 83 Festnahmen. 182 Menschen, darunter 22 Polizisten und zwei Journalisten, wurden verletzt.

Regionalpräsident Quim Torra habe Ministerpräsident Pedro Sánchez daraufhin am Samstag angerufen, um ein Treffen vorzuschlagen. Der Sozialist sei aber nicht ans Telefon gegangen, berichteten die Zeitung «El País» und andere Medien unter Berufung auf beide Seiten. Madrid liess wissen: Erst müsse das Gesetz respektiert werden, dann könne es auch einen Dialog geben. Torra hatte zwar ein Ende der Gewalt gefordert, diese aber nach Ansicht der Zentralregierung nicht ausdrücklich verurteilt. «Die Gewalttätigen werden den Staat nicht bezwingen», schrieb Sánchez auf Twitter.

Das Oberste Gericht in Madrid hatte sieben ehemalige Politiker der Konfliktregion und zwei Anführer ziviler Organisationen des Aufruhrs für schuldig befunden. Wegen ihrer Rolle bei dem illegalen Abspaltungsreferendum vom Oktober 2017 wurden sie zu Gefängnisstrafen von bis zu 13 Jahren verurteilt. Seither gibt es in Katalonien massive Proteste von Separatisten. Am Freitag gingen nach Angaben der Polizei rund 525 000 auf die Strasse. Ein Ende der Proteste und der Unruhen ist nicht in Sicht.

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