Kauf-nix-Tag soll zum Umdenken anregen
Bei Black Friday und Cyber Monday sollen Sonderangebote dazu verführen, Dinge zu kaufen – die man oft genug eigentlich nicht benötigt. Doch es gibt eine Gegenbewegung.
Heckenschere, Raclette, elektrische Eisenbahn – das sind nur ein paar der Dinge, die es im kürzlich eröffneten «Zukunftshaus» in Würzburg zu leihen gibt. Was sie eint: Alles sind Gegenstände, die man meist nicht täglich benutzt, sondern nur gelegentlich. Statt sie teuer zu kaufen und platzraubend zu Hause zu lagern, kann man sie hier mieten.
Leihen statt Kaufen ist ein Motto, dem immer mehr Menschen folgen. «Leihen und Reparieren ist immer da gewesen, aber es gibt jetzt neue technologische Möglichkeiten», sagt der Konsumsoziologe Kai-Uwe Hellmann von der Technischen Universität Berlin. Alternativen zum Kauf werden verstärkt nachgefragt, wenn auch noch von einer Minderheit. In einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts Yougov gab bereits 2018 jede zweite befragte Person an, Dinge zu reparieren. Kleidung zu mieten, konnte sich jede fünfte Person vorstellen. 39 Prozent sagten, allgemein weniger zu kaufen, der Nachhaltigkeit zuliebe.
Was brauche ich wirklich?
Der Kauf-Nix-Tag, der in vielen Ländern jedes Jahr Ende November stattfindet, soll noch mehr Verbraucher dazu ermutigen, zumindest mal einen Tag lang nichts zu kaufen und vor allem: das eigene Konsumverhalten zu reflektieren. Macht es wirklich so viel Spass, sich mit Einkaufstüten beladen durch die Menschenmassen der Innenstädte zu schieben? Brauche ich all die Sachen wirklich, die ich beim Online-Shopping bestellt habe?
In Deutschland und anderen europäischen Ländern wird der Kauf-nix-Tag am letzten Samstag im November begangen,in anderen Staaten wie den USA am Freitag. Das Datum ist kein Zufall: Es ist dann Black Friday, an dem Schnäppchen zum vorweihnachtlichen Kaufrausch verführen sollen.
Aktionen zum Kauf-Nix-Tag sollen das Gegenteil bewirken. Auch das «Zukunftshaus» in Würzburg will zum Umdenken anregen. «Früher hatten Menschen entweder Gegenstände oder sie hatten sie nicht», sagt Vorstand Matthias Pieper. Kaum jemand sei auf die Idee gekommen, sich zum Beispiel eine Eismaschine für den Kindergeburtstag zu leihen statt sie zu kaufen. Nun sei das möglich.
Und wenn nun alle an Silvester das Raclette wollen? «Dafür haben wir von manchen Gegenständen mehrere Exemplare», sagt Pieper. Kunden können im «Zukunftshaus» Dinge auch tauschen oder reparieren lassen. Ähnliche Alternativen finden sich auch andernorts: Leihläden, manchmal «Bibliothek der Dinge» genannt, gibt es in mehreren Städten. Ebenso wie Repaircafés und Stationen zum Ablegen nicht mehr benötigter Dinge. Über soziale Medien und Online-Plattformen lassen sich Gegenstände in der Nachbarschaft borgen. Für Spielzeug und Kleidung bieten Unternehmen an, sie für einige Zeit zu leihen statt zu kaufen.
Wissenschaftler aus Kanada, Schweden und den USA haben in einer Studie anhand von Tweets untersucht, warum Menschen beim Kauf-nix-Tag mitmachen. Die meisten Befürworter versprachen sich demnach von weniger Konsum, glücklicher zu werden, indem sie ihre Zeit für wichtigere Dinge nutzen als Shopping – etwa um Freunde zu treffen, Sport zu machen oder Musik zu hören.
Verzicht ist oft nicht einfach
Einfach ist Verzicht oft nicht – schliesslich definieren wir uns ein Stück weit über die Dinge, die wir besitzen, wie Experten erklären. Der Soziologe Colin Campbell ging sogar so weit zu sagen: «I shop therefore I know that I am» – Ich kaufe, darum weiss ich, dass ich bin. Und selbst wer verzichten möchte, schafft dies im Alltag nicht immer, Gewohnheit und Zeit stehen dem oft entgegen. «Ich denke, dass die Umstellung dauern wird», sagt Matthias Pieper vom «Zukunftshaus».
Dort möchte man Nachhaltigkeit alltagstauglicher machen: Als Standort leistet sich die dahintersteckende Genossenschaft die beste Lage in der Würzburger Innenstadt und lange Öffnungszeiten. Finanziell ist das nur möglich, weil es auch Produkte wie Kleidung zu kaufen gibt. Dass hier auch Leihen, Tauschen und Reparieren möglich ist, merken manche Kundinnen und Kunden erst beim Stöbern im Geschäft.