Keine Kita-Betreuung: Übernehmen eher Mütter den Doppeljob?
Die Corona-Notbetreuung für Kinder wird nun ausgeweitet, das entlastet manche Eltern. Aber viele müssen sich weiter rund um die Uhr um ihren Nachwuchs im Kita-Alter kümmern. Eine echte Nervenprobe - die Mütter noch härter treffen könnte als Väter.
Das Wichtigste in Kürze
- Zigtausend Eltern in Deutschland haben wohl leise oder auch laut geseufzt, als sie erfuhren: Die deutschen Kitas bleiben erst mal zu.
Vielleicht lagen die Kleinen da schon im Bett, vielleicht turnten sie noch durchs Wohnzimmer und wollten beschäftigt werden von Müttern und Vätern, die eigentlich arbeiten müssten oder etwas Ruhe bräuchten.
Nun soll das öffentliche Leben schrittweise wieder anlaufen, Schulen und kleinere Geschäfte nach und nach wieder öffnen. Die Kitas nicht - auch wenn nun mehr Eltern als bisher ein Recht auf die sogenannte Notbetreuung für ihre Kinder bekommen.
Ausweitung der Notbetreuung
Mehr Eltern haben nun einen Anspruch auf Notbetreuung für jüngere Kinder - es wird aber vorerst keine bundesweit einheitliche Regelung geben. «Bis mindestens zum 3. Mai 2020 regeln und erweitern die Bundesländer die Notbetreuung im Rahmen ihrer landesspezifischen Notwendigkeiten und Gegebenheiten», heisst es in den Ergebnissen einer Telefonschalte, zu der Familienministerin Franziska Giffey ihre Länderkollegen eingeladen hatte.
Die Notbetreuung gibt es in der Regel für Kinder ab dem Kita-Alter bis zur sechsten Klasse für die Kinder von Eltern, die dringend an ihrem Arbeitsplatz gebraucht werden - etwa in der Pflege, in Krankenhäusern aber auch in der Produktion bestimmter Güter oder bei der Polizei. Details sind in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. Auf die Ausweitung hatten Bund und Länder sich bereits am Mittwoch (15. April) im Grundsatz verständigt. Viele Landesregierungen haben seitdem etwa angekündigt, weitere Berufsgruppen und Alleinerziehende einzubeziehen oder die Regeln so zu lockern, dass es reicht, wenn ein Elternteil in einem sogenannten systemrelevanten Beruf arbeitet.
Der Corona-Studie der Universität Mannheim zufolge arbeitet ein gutes Viertel der Arbeitnehmer im Homeoffice - vor allem solche mit hohem Bildungsabschluss und gutem Verdienst. Mehr als die Hälfte arbeitet dagegen weiterhin vor Ort.
Wie viele Kinder aktuell notbetreut werden variiert nach Angaben des Familienministeriums zwischen den Bundesländern, aber auch zwischen Städten und ländlichen Räumen. Ende März sei man bundesweit von etwa 160.000 Kindern ausgegangen, sagt eine Sprecherin - im Vergleich zu rund 3,7 Millionen Kindern, die regulär in Kitas, Kindertagespflege und Horten betreut werden. Die Zahl werde nach den Osterferien mit den neuen Regelungen steigen.
Vor allem Mütter von Doppelbelastung betroffen?
Das heisst umgekehrt: Mehr als 3,5 Millionen Kinder waren zu Hause, und das ohne Spielplätze oder Treffen mit Nachbarskindern, jedenfalls, wenn die Familien sich an die Regeln hielten. Schwierig für Eltern - schwierig vor allem für Mütter? Darauf gibt es Hinweise. Das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) hat über eine Online-Umfrage Daten erhoben. Repräsentativ sind sie nicht, das sagen die Wissenschaftler offen - aber es deuten sich Tendenzen an.
«Eltern haben im Moment zwei Jobs gleichzeitig auszuführen - ich glaube nicht, dass man das noch ein halbes Jahr lang aufrecht erhalten kann, sagt Mareike Bünning, die an der Befragung beteiligt war. Die grosse Sorge sei, dass es «wieder die Frauen sind, die beruflich kürzer treten». Der Umfrage zufolge arbeiten Mütter seltener als Väter weiterhin im selben Stundenumfang wie vor der Krise, sie arbeiten auch häufiger gar nicht mehr.
Angst vor Jobverlust
Und das ist nicht alles: Bei Frauen stieg die Angst vor Jobverlust etwas stärker als bei Männern. Die Zufriedenheit mit der Arbeit nahm bei Müttern stärker ab als bei Vätern - was daran liegen könne, dass sie oft die Hauptlast der Kinderbetreuung tragen müssten, vermuten die Sozialforscher. «Wir müssen davon ausgehen, dass sich das weiter verstärken wird», sagt Bünning.
Drastischer schreibt es die britische Journalistin Helen Lewis, die gerade eine Geschichte des Feminismus veröffentlicht hat, im «Atlantic»: Eine Folge des Virus werde sein, «viele Paare zurück in die 50er Jahre zu versetzen».
Dass Frauen oft weniger verdienen als ihr Mann und öfter in Teilzeit arbeiten, kann dazu führen, dass sie eher auf die Arbeit verzichten, wenn einer zurückstecken muss.
Kein Wunder, dass die Empfehlung der Nationalakademie Leopoldina, für jüngere Kinder bis zu den Sommerferien nur auf Notbetreuung zu setzen, bei vielen schlecht ankam. Für Spott sorgte, dass in der 26-köpfigen Professoren-Arbeitsgruppe je drei Mitglieder Jürgen und Thomas heissen - aber nur zwei Frauen dabei sind.