Klima-Aktivisten kapitulierten dank Schweizer Vermittler
Nach fünf Tagen verliessen zwei Klima-Aktivisten in Lützerath (D) ihren selbst gegrabenen Tunnel. Die Verhandlungen leitete ein Schweizer Experte.
Das Wichtigste in Kürze
- Fünf Tage lang harrten zwei Klima-Aktivisten in einem Tunnel unter Lützerath aus.
- Nach langen Verhandlungen kamen sie schliesslich freiwillig zurück an die Erdoberfläche.
- Massgebend für den friedlichen Ausgang des Protests war ein Schweizer Verhandlungsprofi.
Bei den Protesten in Lützerath (D) machten zwei Klima-Aktivisten, die sich selbst «Pinky» und «Brain» nennen, weltweit Schlagzeilen. In einem selbst gegrabenen Tunnel harrten sie fünf Tage lang aus, um die Räumung des Braunkohle-Gebiets zu verhindern.
Schliesslich kam das Duo nach langen vergeblichen Verhandlungen mit der Polizei freiwillig aus seinem Bau. Nun stellt sich heraus: Die Kapitulation war das Werk des Schweizer Verhandlungsexperten Matthias Schranner.
Ihn engagierte der Energiekonzern RWE, nachdem das Mandat der Polizei am Sonntagabend abgelaufen war, erzählt der 59-Jährige den Tamedia-Zeitungen. «Ab diesem Zeitpunkt handelte es sich nicht mehr um eine Räumung, sondern um eine Rettung.»
Aussergewöhnlicher Einsatz für den Verhandlungsprofi
Der ehemalige Verhandlungsführer der deutschen Polizei habe die Lage analysiert und einen Verhandlungsplan aufgestellt. Dabei sei der Einsatz in Lützerath aber auch für Schranner aussergewöhnlich gewesen.
«Normalerweise bitten Menschen in Gefahr um Hilfe. Die beiden Aktivisten waren in Gefahr und wollten keine Hilfe», erklärt er. Damit unterschied sich die Situation deutlich von anderen Fällen des Verhandlungsprofis, wie etwa Geiselnahmen oder Entführungen.
Schranners Gegenüber sind normalerweise in einer aussergewöhnlichen emotionalen Lage und gestresst. Nicht so Pinky und Brain. «Die Aktivisten waren sachlich und hatten einen Plan», erinnert sich Schranner.
Verhandlung unter Zeitdruck
Trotzdem wurde die Zeit knapp. Am Montag um 12 Uhr mittags hätte der Energiekonzern RWE Strafanzeige gegen die Tunnel-Aktivisten eingereicht. Zudem hätte man mit dem Bau eines zweiten Tunnels begonnen, um zu ihnen vorzudringen.
Doch das wäre ein grosses Risiko gewesen: «Es ist immer gefährlicher geworden, weil es tagelang geregnet hat und der Boden sehr weich wurde. Der Tunnel hätte jederzeit einstürzen können», so Schranner.
Also fragte der Verhandlungsprofi nach den Forderungen der Aktivisten und erhielt tatsächlich eine Liste mit sechs Punkten. Diese klärte er mit RWE ab und bot Pinky und Brain Zugeständnisse an.
Aktivisten wollten anonym bleiben dürfen
Schranner darf gegenüber den Zeitungen keine Details nennen, jedoch verfügt der «Spiegel» über weitere Informationen aus einem internen Polizei-Dokument: RWE habe den Aktivisten in Aussicht gestellt, auf die «Stellung eines Strafantrags» zu verzichten, falls sie den Tunnel freiwillig verliessen. Zudem sollen Pinky und Brain verlangt haben, dass sie das Gelände vermummt verlassen dürfen. Und, dass die Polizei sie weder fotografiert noch ihre Personalien und Fingerabdrücke aufnimmt noch ihre Taschen durchsucht.
Nach nur drei Stunden der von Schranner geleiteten Verhandlung gab es eine Einigung. Die Aktivisten verliessen ihren Tunnel noch vor Montagmittag. Schranner habe dann noch kurz mit ihnen gesprochen. «Ich habe gesagt, dass ich mich freue, dass sie wieder gesund am Tageslicht seien».