Obama in Glasgow: «Welt muss sich jetzt bewegen»
Das Wichtigste in Kürze
- Zu Beginn der entscheidenden Woche der Weltklimakonferenz hat der frühere US-Präsident Barack Obama den Verhandlern in Glasgow ins Gewissen geredet.
«Die Welt muss sich bewegen - und zwar jetzt», sagte Obama am Montag bei der COP26 in Glasgow. Die Welt sei im Kampf gegen die Klimakrise nicht da, wo sie sein müsste. Ob sich das beim diesjährigen Gipfel in den letzten Tagen noch entscheidend ändert, ist fraglich: Die ersten veröffentlichten Stichpunkte für die Abschlusserklärung stiessen bei Umweltschützern auf herbe Kritik.
Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan bezeichnete die bislang bekannten Punkte als «ausserordentlich schwach». Sie äusserte Sorge, dass die endgültige Erklärung noch schlechter sein werde, wenn schon die erste Fassung nicht einmal den Kohleausstieg erwähne. Häufig werden solche Abschlusserklärungen in den letzten Verhandlungen eher noch verwässert als verschärft. Auch andere Beobachter kritisierten die von der UN-Klimarahmenkonventionen publizierten Stichpunkte als schwach und unkonkret.
«Non Paper» im Ungefähren
Der Entwurf - im Fachjargon der Gipfel als «Non-Paper» bezeichnet - bleibt bei vielen Themen im Ungefähren. Vorgaben für das Auslaufen des Verbrennungsmotors oder Enddaten für den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas gibt es keine - obwohl der britische Gastgeber «Kohle, Autos, Geld und Bäume» zu den zentralen Prioritäten erklärt hatte. COP-Präsident Alok Sharma verteidigte sich: «Ziel ist, einen Konsens zu erreichen.» Der Entwurf sei nichts, was man als Gastgeber von oben herab diktiere. UN-Klimachefin Patricia Espinosa erklärte, sie hoffe auf «mehr Ehrgeiz» in den Diskussionen der kommenden Tage.
Die Delegationen aus rund 200 Staaten haben bis zum angepeilten Ende am Freitag noch viel Arbeit vor sich. Erklärtes Ziel ist es, die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad im Rahmen des physikalisch Möglichen zu halten. Bislang reichen die Pläne bei weitem nicht aus. Offen ist auch, wie Fortschritte vergleichbar kontrolliert werden sollen und in welchen Abständen die Staaten verpflichtet werden, nachzubessern.
Kluft zwischen Arm und Reich
Bei den Gesprächen tut sich eine Kluft zwischen den reichen Industriestaaten, die für einen Grossteil der klimaschädlichen Emissionen verantwortlich sind, und den ärmeren, besonders stark vom Klimawandel betroffenen Staaten, auf. Letztere fordern konkrete finanzielle Unterstützung für bereits entstandene Schäden.
Schon jetzt zahlten Entwicklungsländer die Rechnung für eine nicht von ihnen verursachte Krise, sagte die Delegationsleiterin von Oxfam, Tracy Carty. Die Industriestaaten hätten nun noch bis Freitag Zeit, den Menschen an der «Front des Klimawandels» zu zeigen, dass sie nicht allein gelassen werden.
Ekkehard Forberg, Klimaexperte von World Vision, sagte: «Klar ist, dass es für Schäden und Verluste ein gesondertes Finanzinstrument geben muss – einen Fonds, der mit 25 Milliarden US-Dollar startet und dann jährlich nach Bedarf angepasst werden muss.» Er verwies auf Studien, wonach sich die klimabedingten ökonomischen Schäden weltweit in den vergangenen 50 Jahren auf 3,6 Billionen Dollar summieren.
Forderungen treffen auf Widerstand
Die Forderungen jedoch stossen im Norden auf Widerstand. Pläne, einen Extrafonds für Schäden und Verluste einzurichten, gebe es derzeit nicht, erklärte Jürgen Zattler, der die Klimaschutz-Abteilung im deutschen Entwicklungsministerium leitet. Bislang bekennen sich die Industriestaaten nur dazu, für Klimaschutz und Anpassung an die Folgen des Klimawandels zu zahlen. Eigentlich sollen schon seit 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar in ärmere Länder fliessen. Tatsächlich wird dieses Ziel nun wohl erst 2023 erstmals erreicht.
Der deutsche Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth warb dafür, aus den aktuell zugesagten Mitteln etwa 50 Prozent in Anpassungsmassnahmen fliessen zu lassen. Bislang seien es nur 25 Prozent. Der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, sagte: «Klimaanpassung und Klimaschutz sind zwei Seiten der gleichen Medaille.»
Die Erwartungen an Erfolge in Glasgow sind hoch. Erst am Wochenende trugen Zehntausende in zahlreichen Städten Frust und Hoffnungen auf eine ehrgeizigere Klimapolitik auf die Strassen. Obama mahnte die Jugend, im Engagement nicht nachzulassen. «Ich will, dass ihr wütend bleibt! Ich will, dass ihr frustriert bleibt!», sagte der 60-Jährige. Er wisse aus eigener Erfahrung: Regierungen brauchten Druck.