Kulturhauptstadt Novi Sad: Die Stadt der Brücken

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Serbien,

Novi Sad an der Donau liegt an der Schnittstelle zwischen Mittel- und Südosteuropa. Das Kulturhauptstadt-Jahr bietet der serbischen Stadt die Chance, ihre Vielfalt und Kreativität zu zeigen. Werden die Programmmacher sie nutzen?

Die nordserbische Stadt Novi Sad ist Kulturhauptstadt 2022. Foto: Jelena Ivanovic/Stiftung Novi Sad 2021/dpa
Die nordserbische Stadt Novi Sad ist Kulturhauptstadt 2022. Foto: Jelena Ivanovic/Stiftung Novi Sad 2021/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Es geht betriebsam zu im Haus Freiheitsplatz 3 im Zentrum der nordserbischen Stadt Novi Sad.

Im Büro der Stiftung «Novi Sad 2021» arbeiten junge Leute konzentriert an Laptops und Computern.

Das Mobiliar ist funktional und zugleich stylish, wie man sich die Räumlichkeit eines trendigen Start-ups irgendwo in Europa vorstellt. Nur noch wenige Wochen sind es, bis Serbiens zweitgrösste Stadt Novi Sad Europäische Kulturhauptstadt wird - als Folge der Corona-Pandemie zeitversetzt um ein Jahr, also 2022 statt 2021.

Nemanja Milenkovic, der Präsident der Stiftung, empfängt im Konferenzraum. Der 44 Jahre alte Programmmacher kommt schnell auf den Punkt: «Die Botschaft lautet: Für neue Brücken! Es ist ein Appell zu handeln, aber auch eine Vision.»

Stadt mit 340.000 Einwohnern

Novi Sad liegt am Mittellauf der Donau, dem grossen europäischen Strom. Es ist die Hauptstadt der Provinz Vojvodina, wo neben Serben mehr als ein Dutzend anderer Nationalitäten leben. Im Jahr 1748 verlieh die österreichische Kaiserin Maria Theresia der auf lateinisch Neoplanta genannten Siedlung den Titel einer königlichen Freistadt. Ihre Bürger sollten sie fortan in ihrer jeweiligen Muttersprache benennen: Neusatz auf deutsch, Ujvidek auf ungarisch und Novi Sad auf serbisch.

Bis 1918 war die Stadt Teil der österreichisch-ungarischen Monarchie, was sie bis heute prägt. Drei Brücken überspannen die Donau. Sie wurden bei den Nato-Bombardierungen im Frühjahr 1999 zerstört, als das westliche Bündnis den damaligen serbischen Kriegsherrn Slobodan Milosevic zur Aufgabe des von Albanern bevölkerten Kosovos zwang. Die Brücken, die inzwischen wiederaufgebaut wurden, stehen auch für das Verbindende, unterstreicht Milenkovic.

Mit einem Budget von 60 Millionen Euro stellt die Stadt mit 340.000 Einwohnern ein ambitioniertes Programm auf die Beine. Abgehandelt werden Themen wie Migration, Frauen in der Kunst, die Zukunft Europas. «Bis Ende 2022 werden wir 5000 europäische Künstler bei uns gehabt haben», sagt Milenkovic nicht ohne Stolz.

Zur Eröffnung am 13. Januar - das Datum fällt mit dem orthodoxen Neujahr zusammen - gestaltet der slowenische Avantgarde-Künstler Dragan Zivadinov ein Open-Air-Spektakel mit dem Titel «Zeniteum». Der Titel spielt auf die stilprägende jugoslawische Avantgarde-Kunstzeitschrift «Zenit» an, die in den 1920er Jahren zuerst in Zagreb und dann in Belgrad erschien. Auch der deutsch-französische Dichter Yvan Goll (1891-1950) stand mit den international weit vernetzten «Zenitisten» in regem Kontakt.

Die Corona-Pandemie scheint die Kulturhauptstadt-Macher nicht aus der Fassung zu bringen. «Sie ist eine grosse Herausforderung, aber wir haben Erfahrung gesammelt», meint Milenkovic, einer der Mitbegründer des Musikfestivals Exit. Serbien hatte eigentlich nur einen einzigen harten Lockdown, im Frühjahr 2020, und dann eher milde Massnahmen. In Novi Sad liefen seitdem viele Vorprogramme zum Kulturhauptstadt-Jahr.

Verschärfungen scheinen aktuell aber nicht ausgeschlossen. Kurz vor Weihnachten wurde bei Reiserückkehrern aus Afrika erstmals in Serbien die Omikron-Variante nachgewiesen.

Die freie Kulturszene ist skeptisch

Kritiker des Kulturhauptstadt-Programms bemängeln, dass die Macher auf Schein statt Nachhaltigkeit, auf Effekt statt Tiefe setzten. Der Stiftungspräsident möge zwar ein exzellenter PR-Fachmann sein, doch stehe ihm kein kompetenter künstlerischer Leiter zur Seite, ist zu hören. Weite Teile der unabhängigen Kunstszene in Novi Sad wurden mit dem Kulturhauptstadt-Projekt nicht recht warm.

«Wir haben vier Jahre lang mit ihnen diskutiert. Vergebens», meint Zoran Pantelic, der das Multi-Media-Zentrum «Kuda.org» am Rand der Stadt leitet. «Sie interessieren sich mehr für Kultur als Präsentation und nicht so sehr für Kultur als Produktion.»

Milenkovic will den Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen. Man habe verlassene Fabriken und Lagerhallen hergerichtet und betriebssicher gemacht. «All das stellen wir der Kultur zur Verfügung.» Der unabhängigen Szene stünden die Türen offen. Es bleibt abzuwarten, ob die unterschiedlichen Auffassungen von Kultur zueinander finden können.

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