Lauterbach dringt auf schnelles Eindämmen der Corona-Welle
Gesundheitsminister Lauterbach sieht keinen «Freedom Day», sondern das Land inmitten einer weiteren schweren Corona-Welle. Sein Appell an die Länder: Hotspot-Regel nutzen - und an die Menschen: impfen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sieht Deutschland wieder in einer schweren Corona-Welle und hat die Länder dringend zum Gegensteuern aufgefordert.
«Von einem "Freedom Day" kann keine Rede sein - ganz im Gegenteil», sagte der SPD-Politiker in Berlin. Angesichts sehr hoher Infektionszahlen sei eine Situation entstanden, in der man nicht einfach abwarten könne, bis besseres Wetter die Lage entspanne. «Wir können es nicht lassen, wie es derzeit ist», mahnte Lauterbach.
Der Minister appellierte an die Länder, jetzt Regelungen nach dem geänderten Infektionsschutzgesetz umzusetzen, die für sogenannte Hotspots in kritischer Lage regional möglich sind. Eine dafür festzustellende Überlastung des Gesundheitswesens könne an konkreten Kriterien bemessen werden - etwa wenn planbare Operationen verschoben oder Patienten verlegt werden müssten. Lauterbach bekräftigte erneut, dass Hotspots auf diese Weise auch ein ganzes Bundesland umfassen können. Bei einer Gesundheitsministerkonferenz an diesem Montag solle mit den Ländern gesprochen werden, um diese Regelung gangbar zu machen.
Das von der Ampel-Koalition geänderte Infektionsschutzgesetz ist auf breiten Protest der Länder gestossen. Nach einer Übergangsfrist bis zum 2. April können sie für regionale Hotspots einige weitergehende Beschränkungen mit mehr Maskenpflichten und Zugangsregeln verhängen, wenn das Landesparlament für diese eine kritische Lage feststellt.
Lauterbach wandte sich eindringlich an bisher Ungeimpfte, sich jetzt schnell zumindest eine erste, bereits schützende Impfung geben zu lassen. Bei den aktuell hohen Infektionszahlen müssten Ungeimpfte damit rechnen, sich in den nächsten Tagen zu infizieren. Dies gelte auch für jene, die sagten, sie seien zwei Jahre gut durchgekommen.
Lauterbach sieht Mehrheit für Impfpflicht
Lauterbach geht davon aus, dass im Bundestag eine Mehrheit für die Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht erreicht wird. Die Frage sei, ob die Union zum Schluss mitstimme und ob man die vorliegenden Anträge zusammenbringe, sagte der SPD-Politiker in Berlin. In der Union gebe es auch viele Befürworter. «Daher glaube ich schon, dass wir zum Schluss, da bin ich optimistisch, eine allgemeine Impfpflicht hinbekommen werden.» Sein Eindruck sei, dass es im Parlament eine Mehrheit dafür gebe. Gespräche fänden auf allen Ebenen statt, um das zu bewerkstelligen. Über die Impflicht soll nach bisheriger Planung in der übernächsten Woche im Bundestag abgestimmt werden.
Lauterbach führte erneut die Impfquote in Deutschland an. «Die Impfquote, die wir jetzt haben, ist zu niedrig, um bei allen Varianten, die wir bisher kennen, im Herbst ohne einschneidende Massnahmen durchzukommen.» Es würden dann wieder nennenswerte Massnahmen notwendig werden. «Und so arbeiten wir unermüdlich an der Impfpflicht, die andere Länder in dieser Form nicht so dringend brauchen, weil sie eine viel höhere Impfquote erreicht haben.»
Wieler: Pandemie ist nicht vorbei
Der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, wiederholte angesichts der aktuellen Rekord-Infektionszahlen seine Appelle für eine Impfung und rücksichtsvolles Verhalten. «Die Pandemie ist noch nicht vorbei, im Gegenteil», sagte Wieler. «Jede Woche sterben aktuell mehr als 1000 Menschen im Zusammenhang mit einer Omikron-Infektion in unserem Land.» Innerhalb einer Woche seien zuletzt etwa drei Prozent der Bevölkerung positiv mit Covid-19 getestet worden, einige Landkreise wiesen Sieben-Tage-Inzidenzen von über 3000 aus, führte Wieler aus. Mit Blick auf die Lockerung der Infektionsschutzmassnahmen betonte er, nun gehe es darum, «wie wir uns verhalten».
Wieler erklärte, eine Impfung könne zwar nicht immer eine Infektion verhindern, in den meisten Fällen schütze sie aber davor, dass man schwer erkranke. Weltweite Daten zeigten demnach deutlich, dass Geimpfte generell viel seltener ins Krankenhaus müssten und viel seltener sterben würden. Besonders deutlich sehe man diesen Effekt bei älteren Menschen mit Auffrischimpfung. Entsprechend forderte er noch ungeimpfte Menschen auf, sich immunisieren zu lassen.
«Wie sich die nächsten Wochen entwickeln, das hängt sehr stark von unser aller Verhalten ab», sagte Wieler. Wer Symptome habe, solle drei bis fünf Tage zu Hause bleiben und ausserhalb des Haushaltes möglichst niemanden treffen, vor allem keine Menschen mit Risikofaktoren. Auch die AHA-Regeln empfahl Wieler weiterhin – und betonte insbesondere die Bedeutsamkeit des Maskentragens in Innenräumen.
Mit Blick auf besonders gefährdete Menschen sagte er, jede und jeder Einzelne könne durch die Einhaltung der Massnahmen helfen, sie zu schützen. «Wir können diese Pandemie nach wie vor nur gemeinsam bewältigen, und wir werden sie auch gemeinsam bewältigen.»
Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz ist laut RKI weiter auf einen Höchstwert von nun 1756,4 gestiegen - nach 1752,0 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen am Vortag. Die Gesundheitsämter meldeten 296.498 neue Fälle an einem Tag, registriert wurden 288 weitere Todesfälle binnen 24 Stunden.