Lawrow poltert gegen Westen und Nato – Die Nacht im Überblick
Sergej Lawrow wirft der Nato vor, das Ende der «Spezialoperation» zu verzögern. Wolodymyr Selenskyj irritiert mit einer Aussage über ein neues Massengrab.
Das Wichtigste in Kürze
- In einem Interview mit dem arabischsprachigen Sender Al-Arabija sagte Lawrow ausserdem, dass Russland die Routen kenne, über die der Westen Waffen an die Ukraine liefern wolle.
Der russische Aussenminister Sergej Lawrow hat in der Nacht in zwei Interviews gegen die Nato gehetzt. Er warf dem Militärbündnis nach Angaben der russischer Agenturen vom frühen Samstagmorgen in einem Interview mit der chinesischen Agentur Xinhua vor, das Ende der «Spezialoperation» durch politische Vereinbarungen und Waffenlieferungen zu verhindern.
Russland kenne die Routen, über die der Westen Waffen an die Ukraine liefern wolle. Dies sagte Lawrow in einem Interview mit dem arabischsprachigen Sender Al-Arabija. Die gelieferten Waffen sollten nun zum Ziel der von offizieller russischer Seite so bezeichneten «Spezialoperation» werden, «sobald sie das Territorium der Ukraine erreichen».
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sorgte derweil mit Angaben zu einem Massengrab für Irritationen. Die IAEA meldete die Wiederaufnahme der Kommunikation zu Tschernobyl. In Berlin dankte der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk deutschen Medien für ihre Kriegsberichterstattung.
Verhandlungen laufen schleppend
Die Verhandlungen mit Kiew über den Entwurf eines möglichen Abkommens zur Beendigung des Kriegs laufen nach Lawrows Darstellung nicht gut: Sie würden auch durch die «militante Rhetorik und hetzerische Aktionen der westlichen Unterstützer von Kiew» behindert. Die russische Seite befürworte jedoch eine Fortsetzung des Verhandlungsprozesses.
Selenskyj hatte nach Angaben der «Ukrajinska Prawda» gesagt, es bestehe ein hohes Risiko, dass Kiew die Verhandlungen mit Moskau abbreche. Er forderte erneut direkte Verhandlungen mit Kremlchef Wladimir Putin. Die ersten Verhandlungen für ein Ende der Kriegshandlungen hatten bereits vier Tage nach der russischen Invasion am 24. Februar begonnen.
Lawrow: Sind nicht im Krieg mit der Nato
Russland sieht sich nicht im Krieg mit der Nato. Vielmehr glaube die Nato, mit Russland im Krieg zu sein, sagte Lawrow nach Angaben russischer Agenturen. Weiterhin drohe Russland nicht mit Atomwaffen, westliche Medien übertrieben bei diesem Thema. «Wir ‹spielen› nicht mit einem Atomkrieg», sagte Lawrow demnach. Russland hatte Ende Februar Abschreckungswaffen in Alarmbereitschaft versetzen lassen, was weltweit als Drohung mit dem atomaren Arsenal verstanden worden war.
Lawrow behauptete weiterhin, das russische Militär tue «alles in seiner Macht Stehende, um zivile Opfer zu vermeiden». Die Ukraine hingegen meldet täglich zivile Opfer. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte gab die Zahl getöteter Zivilisten zuletzt mit 2899 an, die tatsächlichen Zahlen sollen allerdings erheblich höher sein.
Irritationen um Selenskyjs Angaben zu Massengrab
Selenskyj hat in einem Interview von einem neuen Massengrab mit 900 Toten im Kiewer Gebiet gesprochen. Sein Sprecher und die Polizei dementierten. «Zum Stand 29. April sind insgesamt 1187 Leichen von Opfern der russischen Armee im Gebiet Kiew entdeckt worden, wahrscheinlich meinte der Präsident diese Gesamtziffer, als er von über 900 sprach», hiess es in einem Kommentar der Polizei des Gebiets Kiew. Auch Präsidentensprecher Serhij Nykyforow betonte in der Onlinezeitung «Ukrajinska Prawda», dass der Präsident die Gesamtzahl gemeint habe.
Nach dem Abzug russischer Truppen vor knapp einem Monat hatten Funde von teils gefesselten erschossenen Zivilisten vor allem in dem Kiewer Vorort Butscha weltweit für Entsetzen gesorgt. Moskau wies alle Anschuldigungen zurück.
IAEA: Russische Nuklearspezialisten in Saporischschja
Russische Behörden haben Nuklearspezialisten in das ukrainische Atomkraftwerk im südöstlich gelegenen Saporischschja geschickt. Die acht Vertreter von Rosenergoatom, das zum russischen Staatskonzern Rosatom gehört, fordern von der Stationsleitung tägliche Berichte zu «vertraulichen Fragen» in Bezug auf den Betrieb des AKW, heisst es in einer Erklärung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) unter Berufung auf ukrainische Behörden.
Demnach wird das Kernkraftwerk weiterhin von ukrainischem Personal betrieben, aber von russischen Streitkräften kontrolliert. Russische Truppen hatten die Anlage am 4. März besetzt. Weiterhin werde die Kommunikation zur Anlage in Tschernobyl schrittweise wiederhergestellt, so die IAEA.
Eisenbahnbrücke im Osten gesprengt
Die ukrainisch Armee hat eine Eisenbahnbrücke im Gebiet Donezk gesprengt. Dabei sei ein russischer Güterzug getroffen worden, wie die «Ukrajinska Prawda» schrieb. Nach Angaben des Onlineportals «Hromadske» war unklar, ob es sich um Güterwaggons oder Kesselwagen handelte.
Bei der zerstörten Brücke handelte es sich nach Angaben der Zeitungen um eine Verbindung über den Fluss Siwerskyj Donez zwischen den Orten Lyman und Rajhorodok im Osten der Ukraine. Die Eisenbahnverbindung nach Lyman, das im Epizentrum der Kämpfe in der Ostukraine liege, sei damit zerstört.
USA trainieren ukrainische Soldaten
Die USA bilden in Deutschland und an anderen Standorten ukrainische Soldaten im Umgang mit militärischer Ausrüstung aus. Der Sprecher des US-Verteidigungsministers, John Kirby, sagte, das Training auf deutschem Boden habe bereits begonnen. Es gehe unter anderem um den Umgang mit Haubitzen und anderen Waffensystemen, die Kiew zur Unterstützung im Krieg gegen Russland bekomme.
Die USA statten die Ukraine im grossen Stil mit Waffen und Munition aus, um das Land im Krieg gegen Russland zu unterstützen.
Das wird heute wichtig
Die Grünen sprechen am Samstag bei einem kleinen Parteitag in Düsseldorf über die Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Dabei steht auch ein Bekenntnis zur Unterstützung des Wiederaufbaus in der Ukraine und zur Hilfe für Entwicklungsländer, die unter dem Ausfall von Getreidelieferungen aus der Ukraine leiden, auf der Tagesordnung.
Auch die CSU trifft sich zu einem kleinen Parteitag in Würzburg. Im Zentrum steht vor allem die Aussenpolitik. Angesichts des Krieges setzt die Partei noch stärker als früher auf eine Bindung an den Westen, militärische Stärke und Unabhängigkeit.