Letzter Geniestreich: 50 Jahre «Abbey Road» von den Beatles

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Deutschland,

1969. Was für ein Jahr für die Beatles. Die «Fab Four» geben ihr letztes Konzert - auf einem Dach. Sie streiten sich. Ein Album misslingt. Zwei Musiker heiraten. Dann noch ein Versuch, zur alten Magie zurückzufinden. Und «Abbey Road» wird zum finalen Meisterwerk.

Üppige Neuauflage: Das Box-Set «Abbey Road» von den Beatles. Foto: Apple Corps Ltd
Üppige Neuauflage: Das Box-Set «Abbey Road» von den Beatles. Foto: Apple Corps Ltd - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Vier junge Männer laufen im Gänsemarsch über einen Zebrastreifen, im Hintergrund steht ein VW-Käfer.

Jeder Musikfan weiss jetzt sofort, um was es geht. Das Albumcover ist schliesslich eines der berühmtesten der Popgeschichte.

Noch besser: Auch in der Plattenhülle steckt ein Geniestreich. «Abbey Road» von The Beatles, ein Triumph gegen jede Wahrscheinlichkeit - 50 Jahre ist das her. Mit einer Wiederveröffentlichung in höchster Qualität (am 27.9.) wird das Meisterwerk nun gross gefeiert.

«Abbey Road» erschien am 26. September 1969, am Ende turbulenter Wochen, in denen das offiziell erst 1970 vollzogene Ende der berühmtesten Popgruppe der Welt besiegelt wurde. Am Vormittag des 8. August waren John Lennon, Ringo Starr, Paul McCartney und George Harrison noch bei ihrem Studio in London über den Zebrastreifen an der Abbey Road 3/Ecke Grove End Road gelaufen, der Fotograf Iain MacMillan hatte sie abgelichtet. Danach nahmen die Fliehkräfte innerhalb der britischen Band immer mehr zu.

«Die Sache machte keinen Spass mehr, und es war Zeit zu gehen», sagte Harrison später über den Split, der letztlich von Lennon ausging. Auch andere aus der Band und ihrem Umfeld sprachen in der «Beatles Anthology» von Erleichterung (Ringo Starr) oder gar «Befreiung» (Produzent George Martin). Es kommt also einem Wunder gleich, dass «Abbey Road», das letzte gemeinsame Projekt der «Fab Four», trotz all der Absetzbewegungen so erfolgreich war. Nicht nur kommerziell mit etwa 15 Millionen verkauften Tonträgern, sondern auch künstlerisch, nach einer heute kaum noch vorstellbaren, kräftezehrenden Karriere.

Schon auf dem experimentierfreudigen «Weissen Album» von 1968 hatten die Beatles wie eine Ansammlung auseinanderstrebender Musiker gewirkt, die sich noch einmal zusammenraufen konnten. Anfang 1969 versuchten sie sich an neuen Aufnahmesessions, deren von Studiotüftler Phil Spector aufgemotzte Songs gut ein Jahr später - nach dem Beatles-Aus - unter dem Albumtitel «Let It Be» erschienen. Das legendäre «Rooftop Concert» am 30. Januar 1969 auf dem Dach ihres Labels Apple in der Londoner Savile Row sollte der letzte Live-Auftritt der Band sein.

Die Laune war mies, es drohte ein Desaster zum Beatles-Abschied. Dann heirateten beide Haupt-Songschreiber innerhalb weniger Tage im März: McCartney und die US-Fotografin Linda Eastman, Lennon und die japanische Künstlerin Yoko Ono. Ob es zur Befriedung beitrug? «Abbey Road» spricht für sich: Der Zauber war zurück. Der im Rückblick meist milde urteilende McCartney sagt dazu: «Die Beatles-Reise hatte viele Drehungen und Wendungen, Lernkurven und aufregende Entwicklungen. Hier standen wir also - immer noch erstaunt von der Magie.»

17 Stücke in gut 47 Minuten enthält die Platte. Auf der A-Seite Beatles-Klassiker wie «Come Together» von Lennon/McCartney mit wunderbaren Bassläufen und jazzigem Piano, die ergreifende Harrison-Ballade «Something», sein Wunderwerk «Here Comes The Sun», Ringos witziges «Octopus's Garden». Ausserdem Fan-Favoriten wie das bluesige, den Progressive-Rock der 70er vorwegnehmende «I Want You (She's So Heavy)», das ebenso komplexe «You Never Give Me Your Money», die virtuose Chor-Spielerei «Because». Auf der B-Seite eine weitgehend von McCartney und Martin konzipierte Songsuite. Dem zum Medley-Abschluss eigentlich passenden «The End» wurde noch das 23-sekündige «Her Majesty» nachgeschoben.

Die Pop-Welt ahnte am Tag des Erscheinens von «Abbey Road» vor 50 Jahren noch nicht, dass eine fantastische Band einen letzten Kraftakt für ein finales Meisterwerk hinter sich gebracht hatte, dass hier eine Ära endete. «Wir hatten die Gruppe zusammengehalten, um 'Abbey Road' zu beenden», sagte Ringo Starr.

Der später selbst weltberühmte Alan Parsons (The Alan Parsons Project) war mit gerade mal 19 Jahren Soundingenieur in den Abbey Road Studios. Er erinnert sich im britischen Musikmagazin «Uncut»: «Ich war mir auf dem Apple-Dach sicher, dass es die letzte Live-Performance war. Aber ich war mir nicht sicher, dass 'Abbey Road' ihr letztes Statement sein würde.»

Das nach offizieller Zählung elfte Beatles-Studioalbum seit dem Debüt «Please Please Me» (1963) klingt so perfekt wie kein anderes dieser Band, es steckt voller Überraschungen. Die gab es auch nach der Veröffentlichung. Nicht nur stand «Abbey Road» 18 Wochen auf Platz 1 der britischen Album-Charts und erreichte in Deutschland und den USA ebenfalls die Spitze - das Albumcover mit dem barfüssigen McCartney war auch Anlass für wüste Theorien, der Bassist und Songwriter sei tot und durch einen Doppelgänger ersetzt. Eine der abstrusesten Randgeschichten der Popmusik.

Das Fussgänger-Artwork gehört - wie von den Beatles zuvor schon «Revolver» (1966) und «Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band» (1967) - zu den einflussreichsten der Pophistorie. 50 Jahre später sorgt das Album im Londoner Stadtteil St. John's Wood immer noch fast täglich für Verkehrsbehinderungen. Der unter Denkmalschutz stehende Zebrastreifen ist eine Touristenattraktion - und ein ständiges Ärgernis für Autofahrer.

Die meisten Fussgänger wollen die Strasse nicht einfach überqueren, sondern gehen besonders langsam, fast wie in Zeitlupe. Einige bleiben in der Mitte stehen. Bis das Hupkonzert ungeduldiger Auto- und Busfahrer zu laut wird, versuchen sie auf die Schnelle das berühmte Albumcover nachzustellen. Das mitunter chaotische Foto-Shooting ist nicht ganz ungefährlich: Einige Autofahrer sind inzwischen so genervt von den Touristen, dass sie extra aufs Gaspedal treten und über den Zebrastreifen rasen.

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