Libysche Küstenwache fängt fast die Hälfte aller Bootsmigranten ab
Die libysche Küstenwache hat den grössten Anteil bei der Verhinderung der Einreise von Bootsflüchtlingen. Die Zustände in den Auffanglagern sind prekär.
Das Wichtigste in Kürze
- Im vergangenen Jahr hat die libysche Küstenwache fast 10'000 Migranten abgefangen.
- Politiker kritisieren den Einsatz – die Lage in den libyschen Abschiebelagern ist prekär.
Die libysche Küstenwache hat nach Angaben des Kommandeurs der EU-Marinemission «Irini» im vergangenen Jahr 9541 Migranten auf dem Meer abgefangen. Dies sei fast die Hälfte (47 Prozent) aller Menschen, die sich 2020 von dem nordafrikanischen Bürgerkriegsland aus auf den Weg nach Europa gemacht hätten, heisst es in einem vertraulichen Bericht des Kommandeurs Fabio Agostini an die EU-Staaten, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Die libysche Küstenwache zeigt dem Bericht zufolge weiter «wichtige operative Leistungsfähigkeit» beim Retten von Menschen in der eigenen Such- und Rettungszone.
Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration hat sie 2020 sogar rund 11'000 Bootsmigranten nach Libyen zurückgebracht, wo ihnen Gewalt und Ausbeutung drohen. Zuvor hatte der «Spiegel» berichtet.
Agostini betont, dass die Operation «Irini» in keinen der Rettungsfälle verwickelt gewesen sei. Deshalb bestünde kein Hinweis darauf, dass von der Operation ein «Pull-Faktor» ausgehe, sie die Migranten also dazu anreizen würde, sich auf den Weg nach Europa zu machen.
Kritik an libyschen Auffangzentren
Dem Bericht von Anfang Februar zufolge gab es in Libyen Ende vergangenen Jahres 82 Gefängniscenter für Flüchtlinge und Migranten in denen 7607 Menschen untergebracht waren. 389 Menschen seien im vergangenen Jahr aus diesen Centern entlassen worden. Kritiker bemängeln in Libyen immer wieder massive Verstösse gegen die Menschenrechte der Migranten.
Schon unter der Vorgänger-Mission von «Irini» hatte die EU die libysche Küstenwache ausgebildet. Auch im «Irini»-Mandat ist das vorgesehen. Der Linke-Bundestagsabgeordnete Tobias Pflüger nennt die Zusammenarbeit zynisch. «Es ist völlig offensichtlich, dass diese gesponserten Milizen umfangreich für Tod und Misshandlungen von Geflüchteten verantwortlich sind», sagte er der dpa. «Erfolgsmeldungen im Kontext dieser libyschen Küstenwache sind menschenverachtend.»